Vermittlungsacte des Ersten Consuls der fränkischen Republik
zwischen den Parteien, in welche die Schweiz getheilt ist.
"Mediationsverfassung"

vom 19. Februar 1803

aufgehoben durch
Übereinkunft vom 29. Dezember 1813

Bonaparte, Erster Consul der fränkischen und Präsident der italienischen Republik, an die Schweizer!

Helvetien, der Zwietracht preisgegeben, war mit seiner Auflösung bedroht. In sich selbst konnte es die Mittel nicht finden, um wieder zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zu gelangen. Die alte Gewogenheit der fränkischen Nation für dieses achtungswerthe Volk, welches sie vor kurzem noch durch ihre Waffen vertheidigt und durch ihre Verträge als unabhängige Macht hatte anerkennen lassen; das Interesse Frankreichs und der italienischen Republik, deren Grenzen die Schweiz bedekt; das Ansuchen des Senats; das der democratischen Kantone; der Wunsch endlich des gesammten helvetischen Volks: haben es Uns zur Pflicht gemacht, als Vermittler aufzutreten zwischen den Parteien, die es trennen.

Zu dem Ende haben Wir die Senatoren Barthelemy, Röderer, Fouche und Démeunier beauftragt, mit sechs und fünfzig Deputirten des helvetischen Senats, der Städte und Kantone, in Unterredung zu treten. Die Beantwortung der Frage: Ob die Schweiz, von der Natur selbst zu einem Bundesstaate bestimmt, anders als durch Gewalt unter einer Central-Regierung erhalten werden könnte; die Ausfindigmachung derjenigen Verfassungsform, die mit den Wünschen jedes Kantons am meisten übereinstimmte; die Heraushebung dessen, was den in den neuen Kantonen entstandenen Begriffen von Freiheit und Wohlfahrt am besten entspräche; endlich dann in den alten Kantonen die Vereinbarung derjenigen Einrichtungen, die durch die Zeit ehrwürdig geworden waren, mit den wiederhergestellten Rechten des Volks: Dies waren die Gegenstände, die der Untersuchung und Berathschlagung unterworfen werden mußten.

Ihre Wichtigkeit sowohl als das Schwierige derselben, haben Uns bewogen, zehn Ausgeschossene beider Parteien, nämlich die Bürger von Affry, Gluz, Jauch, Monod, Reinhard, Sprecher, Stapfer, Usteri, von Wattenwyl und Vonflüe, in eigener Person zu vernehmen; und Wir haben das Resultat ihrer Berathschlagungen theils mit den verschiedenen Vorschlägen der Kantonal-Deputationen, theils mit demjenigen zusammen gehalten, was sich aus den Unterredungen dieser Deputationen mit den committirten Senatoren ergeben hatte.

Nachdem Wir auf diese Weise alle Mittel erschöpft haben, um das Interesse und den Willen der schweizerischen Nation kennen zu lernen, so wird von Uns, in der Eigenschaft eines Vermittlers und ohne andere Absicht, als die Wohlfahrt der Völkerschaften zu erzweken, über deren Angelegenheiten Wir abzusprechen hatten, so wie ohne Verlezung der schweizerischen Unabhängigkeit, Folgendes festgesezt:

Erstes Capitel.
a) Verfassung des Cantons Appenzell

 

Zweites Capitel.
b) Verfassung des Cantons Aargau

 

Drittes Capitel.
c) Verfassung des Cantons Basel

 

Viertes Capitel.
d) Verfassung des Cantons Bern

 

Fünftes Capitel.
e) Verfassung des Cantons Freiburg

 

Sechstes Capitel.
f) Verfassung des Cantons Glarus

 

Siebentes Capitel.
g) Verfassung von Graubündten

 

Achtes Capitel.
h) Verfassung des Cantons Lucern

 

Neuntes Capitel.
i) Verfassung des Cantons St. Gallen

 

Zehntes Capitel.
k) Verfassung des Cantons Schafhausen

 

Eilftes Capitel.
l) Verfassung des Cantons Schwyz

 

Zwölftes Capitel.
m) Verfassung des Cantons Solothurn

 

Dreizehntes Capitel.
n) Verfassung des Cantons Tessin

 

Vierzehntes Capitel.
o) Verfassung des Cantons Thurgau

 

Fünfzehntes Capitel.
p) Verfassung des Cantons Unterwalden

 

Sechzehntes Capitel.
q) Verfassung des Cantons Uri

 

Siebzehntes Capitel.
r) Verfassung des Cantons Waadt

 

Achtzehntes Capitel.
s) Verfassung des Cantons Zug

 

Neunzehntes Capitel.
t) Verfassung des Cantons Zürich

 

Zwanzigstes Capitel.
u) Bundesacte.

Erster Titel.
Allgemeine Verfügungen.

Artikel 1. Die neunzehn Kantone der Schweiz. als: Appenzell, Aargau, Basel, Bern, Freiburg, Glarus, Graubünden, Lucern, St. Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Unterwalden, Uri, Waadt, Zug und Zürich sind unter sich, gemäß den in ihren besondern Verfassungen aufgestellten Grundsäzen, verbündet.

Sie übernehmen gegenseitig die Gewährleistung für ihre Verfassung, ihr Gebiet, ihre Freiheit und Unabhängigkeit, sowohl gegen auswärtige Mächte als gegen die Angriffe eines Kantons oder einer besondern Partei.

Artikel 2. Die Truppen und Geldbeiträge, welche für die Vollziehung dieser Gewährleistung erforderlich sein möchten, werden von jedem Kantone nach folgendem Verhältnisse  geliefert:
Zu 15,203 Mann wird beitragen:
Bern                2292
Zürich .           1929
Waadt .          1482
St. Gallen        1315
Aargau .          1205
Graubünden    1200
Tessin .             902
Lucern .            867
Thurgau            835
Freiburg           620
Appenzell         486
Solothurn         452
Basel .             409
Schwyz .         301
Glarus .           241
Schaffhausen   233
Unterwalden    191
Zug                 125
Uri                  118

An eine Summe von 490,507 Schweizerfranken wird bezahlen:
Graubünden           12,000
Schwyz                    3,012
Unterwalden            1,907
Uri                           1,184
Tessin . . . .            18,039
Appenzell . .            9.728
Glarus . . . .             4,823
Zug . . . .                 2,497
St. Gallen . .          39.451
Lucern . . .            26,016
Thurgau . . .          25,052
Freiburg . . .          18,591
Bern . . . .              91,695
Zürich . . .             77,153
Waadt . . . .          59,273
Aargau . . .           52,212
Solothurn  . .         18,097
Schaffhausen   .       9,327
Basel . . . .            20,450

Artikel 3. Es gibt in der Schweiz weder Unterthanenlande noch Vorrechte der Orte, der Geburt, der Personen oder Familien.

Artikel 4. Jeder Schweizerbürger ist befugt, seinen Wohnsiz in einen andern Kanton zu verlegen und sein Gewerbe daselbst frei zu treiben; er kann die politischen Rechte, gemäß dem Geseze des Kantons, in dem er sich niederläßt, erwerben, aber dieselben nicht zu gleicher Zeit in zwei Kantonen ausüben.

Artikel 5. Die ehemaligen Zugs- und Abzugsrechte sind abgeschafft. Der freie Verkehr mit Lebensmitteln, Vieh und Handelswaaren ist gewährleistet. Im Innern der Schweiz können keine örtlichen oder allgemeinen Eingangs-, Durchpaß- oder Zollgebühren eingeführt werden. Die äußern Grenzzölle gehören den an das Ausland stoßenden Kantonen; jedoch sollen die Tarife der Tagsazung zur Genehmigung vorgelegt werden.

Artikel 6. Jeder Kanton behält die Zölle bei, die zur Ausbesserung der Wege, Heerstraßen und Flußufer bestimmt sind. Die Tarife bedürfen ebenfalls der Genehmigung der Tagsazung.

Artikel 7. Die in der Schweiz verfertigten Münzen haben einen gleichen Gehalt, der von der Tagsazung zu bestimmen ist.

Artikel 8. Kein Kanton kann weder einem gesezmäßig verurtheilten Verbrecher noch einem Beklagten, der nach den gesezlichen Formen belangt wird, eine Freistatt geben.

Artikel 9. Die Anzahl besoldeter Truppen, die ein Kanton unterhalten kann, ist auf 200 Mann beschränkt.

Artikel 10. Jedes Bündniß eines einzelnen Kantons mit einem andern Kantone, oder mit einer auswärtigen Macht, ist verboten.

Artikel 11. Die Regierung, oder die gesezgebende Behörde eines jeden Kantons, die ein Decret der Tagsazung übertreten würde, kann als aufrührerisch vor ein Gericht gezogen werden, das aus den Präsidenten der peinlichen Gerichtshöfe aller andern Kantone zusammengesezt werden soll.

Artikel 12. Die Kantone üben alle Gewalt aus, die nicht ausdrüklich der Bundesbehörde übertragen ist.

Zweiter Titel.
Vom Directorial-Kanton.

Artikel 13. Die Tagsazung versammelt sich wechselsweise von einem Jahre zum andern zu Freiburg, Bern, Solothurn, Basel, Zürich und Lucern.

Artikel 14. Die Kantone, von denen diese Städte die Hauptorte sind, werden nach der Reihe Directorialkantone. Das Directorialjahr fängt mit dem ersten Januar an.

Artikel 15. Der Directorial-Kanton sorgt für die Wohnung der Deputirten bei der Tagsazung und für ihre Ehrenwache; er bestreitet die Sizungskosten.

Artikel 16. Der Schultheiß oder Bürgermeister des Directorial-Kantons verbindet mit seinem Titel denjenigen eines Landammanns der Schweiz; er hat das Siegel der helvetischen Republik in Verwahrung; er kann sich nicht aus der Stadt entfernen. Der große Rath seines Kantons sezt ihm einen besondern Gehalt aus, und bestreitet die mit dieser obrigkeitlichen Würde verbundenen außerordentlichen Ausgaben.

Artikel 17. Die fremden Gesandten übergeben dem Landammann der Schweiz ihre Creditive oder Zurükberufungsschreiben, und wenden sich für die Unterhandlungen an ihn. Er ist ebenfalls die Zwischenbehörde für die übrigen diplomatischen Verhältnisse.

Artikel 18. Bei Eröffnung der Tagsazung macht er derselben amtliche Mittheilung über den Zustand der innern und äußern Bundesangelegenheiten.

Artikel 19. Kein Kanton kann in seinem Innern mehr als 500 Mann Milizen aufbieten und in Bewegung sezen, ohne den Landammann der Schweiz davon benachrichtigt zu haben.

Artikel 20. Im Fall eines Aufstandes im Innern eines Kantons, oder irgend eines andern dringenden Bedürfnisses, läßt der Landammann Truppen von einem Kanton in den andern marschiren, jedoch nur auf Verlangen des großen oder kleinen Raths des Hülfe begehrenden Kantons und auf Einholung des Gutachtens vom kleinen Rathe des Directorial-Kantons; mit dem Vorbehalte, daß nach Unterdrükung der Feindseligkeiten, oder bei fortdauernder Gefahr, die Tagsazung von ihm zusammenberufen werde.

Artikel 21. Wenn während der Zeit da keine Tagsazung versammelt ist, Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren Kantonen entstehen sollten, so wendet man sich an den Landammann der Schweiz, der je nach der größern oder geringem Dringlichkeit der Umstände, entweder Schiedsrichter zum Vermitteln ernennt, oder die Erörterung bis zur nächsten Tagsazung aussezt.

Artikel 22.  Er warnt die Kantone, wenn ihr inneres Betragen die Ruhe der Schweiz gefährdet, oder irgend etwas Unregelmäßiges und dem Bundesvertrage oder ihrer besondern Verfassung Zuwiderlaufendes bei ihnen stattfindet. In diesem Falle kann er die Zusammenberufung des großen Raths, oder da, wo die höchste Gewalt unmittelbar von dem Volke ausgeübt wird, die der Landsgemeinde verordnen.

Artikel 23.  Der Landammann der Schweiz kann nöthigenfalls Aufseher zur Untersuchung der Heerstraßen, Wege und Flüsse absenden. Er ordnet dringende Arbeiten, die dahin gehören, an, und läßt sie im Falle der Noth unmittelbar und auf Kosten dessen, dem es zukommen mag, ausführen, wenn sie in der vorgeschriebenen Zeit nicht angefangen oder vollendet sind.

Artikel 24. Seine Unterschrift gibt den damit bekleideten Acten das Ansehen und den Charakter von Nationalacten.

Dritter Titel.
Von der Tagsazung.

Artikel 25.  Jeder Kanton sendet einen Abgeordneten zur Tagsazung, dem ein oder zwei Räthe beigeordnet werden können, die im Falle von Abwesenheit oder Krankheit seine Stelle einnehmen.

Artikel 26. Die Abgeordneten bei der Tagsazung haben beschränkte Vollmachten und Instructionen, denen zuwider sie nicht stimmen können.

Artikel 27. Der Landammann der Schweiz ist von Rechts wegen Deputirter des Directorial-Kantons.

Artikel 28. Die neunzehn Abgeordneten, aus denen die Tagsazung besteht, machen insgesammt 25 Stimmen bei den Berathschlagungen aus.

Die Abgeordneten der Kantone, deren Volksmenge 100,000 Seelen übersteigt, als die von Bern, Zürich, Waadt, St. Gallen, Aargau und Graubünden, haben jeder zwei Stimmen.

Die Abgeordneten der Kantone, deren Volksmenge weniger als 100,000 Seelen beträgt, als die von Tessin, Lucern, Thurgau, Freiburg, Appenzell, Solothurn, Basel, Schwyz, Glarus, Schaffhausen, Unterwalden, Zug und Uri, haben jeder nur eine Stimme.

Artikel 29. Die Tagsazung versammelt sich unter dem Vorsiz des Landammanns der Schweiz den ersten Montag im Juni; ihre Sizungszeit kann sich nicht über einen Monat hinaus erstreken.

Artikel 30. Außerordentliche Tagsazungen können stattfinden:
1. Auf das Verlangen einer angrenzenden Macht oder eines Kantons, wenn dasselbe von dem großen Rathe des Directorial-Kantons unterstüzt wird, welcher zu dem Ende zusammenberufen wird, wenn er zu der Zeit nicht versammelt ist.
2. Auf das Gutachten des großen Raths oder der Landsgemeinde von fünf Kantonen, wenn dieselben ein von dem Directorial-Kanton nicht für zulässig erkanntes Begehren dieser Art gegründet finden.
3. Auf eine durch den Landammann der Schweiz geschehene Zusammenberufung.

Artikel 31. Die Kriegserklärungen, Friedensschlüsse und Bündnisse gehen von der Tagsazung aus; jedoch ist die Zustimmung von drei Viertheilen der Kantone dazu erforderlich.

Artikel 32. Die Tagsazung allein schließt Handelstractate und Vorkommnisse über den auswärtigen Dienst ab. Sie bevollmächtigt die Kantone, wenn es der Fall ist, mit einer fremden Macht über andere Gegenstände besonders zu unterhandeln.

Artikel 33. Ohne ihre Einwilligung können in keinem Kantone Anwerbungen für eine auswärtige Macht statthaben.

Artikel 34. Die Tagsazung befiehlt die Stellung des im zweiten Artikel für jeden Kanton festgesezten Truppencontingents; sie ernennt den General, der sie anführen soll, und trifft überdies alle nöthigen Verfügungen für die Sicherheit der Schweiz und für die Vollziehung der übrigen Vorschriften des ersten Artikels. Das nämliche Recht steht ihr zu, wenn der Ausbruch von Unruhen in einem Kanton die Ruhe der übrigen Kantone bedroht.

Artikel 35. Sie hat die außerordentlichen Gesandten zu ernennen und abzusenden.

Artikel 36. Sie entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen den Kantonen entstehen, wenn dieselben auf dem Wege der Vermittlung nicht haben können beigelegt werden. Zu dem Ende bildet sie sich, nachdem ihre ordentlichen Geschäfte abgethan sind, in ein Syndicat, wobei jeder Deputirte dannzumal nur eine Stimme hat, und für seine daherigen Verrichtungen keine Instmuctionen erhalten kann.

Artikel 37. Die Verhandlungen der Tagsazung werden in zwei Protokolle niedergeschrieben, von denen das eine dem Directorial-Kanton verbleibt und das andere zugleich mit dem Staatssiegel am Ende des December an den Hauptort des folgenden Directorial-Kantons gebracht wird.

Artikel 38. Ein Kanzler und ein Staatsschreiber, welche die Tagsazung für zwei Jahre zu ernennen hat und die auf dem von ihr festgesezten Fuße von dem Directorial-Kanton besoldet werden, folgen jedesmal dem Staatssiegel und den Protokollen.

Artikel 39. Die Verfassungsurkunde jedes Kantons, auf Pergament geschrieben und mit dem Kantonssiegel versehen, wird in den Archiven der Tagsazung niedergelegt.

Artikel 40. Durch die gegenwärtige Bundesacte, so wie durch die besondern Verfassungen der neunzehn Kantone, werden alle frühern Verfügungen, die denselben zuwider laufen könnten, aufgehoben; und in Allem, was die innere Einrichtung der Kantone und ihre gegenseitigen Verhältnisse betrifft, können keine Rechte auf den ehemaligen politischen Zustand der Schweiz begründet werden.

Übergangsbestimmungen.

Die Ruhe der Schweiz und der Erfolg der neuen Einrichtungen, die ins Werk zu sezen sind, erfordern, daß die nothwendigen Vorkehren, um dieselben an die Stelle der zu Ende gehenden Ordnung der Dinge treten zu lassen, und um die Sorge für die öffentliche Wohlfahrt neuen Obrigkeiten zu übertragen, vor dem Einflusse der Leidenschaften bewahrt werden; daß Alles, was solche anreizen und aufregen kann, davon entfernt bleibe, und daß bei ihrer Vollziehung mit Mäßigung, Parteilosigkeit und Klugheit verfahren werde. Ein angemessener Gang dieses Geschäfts läßt sich aber nicht anders als von Committirten erwarten, deren Ernennung die Vermittlungsacte selbst übernimmt und die von dem nämlichen Geiste beseelt sind, der diese Vermittlung eingegeben hat.

Aus diesen Betrachtungen wird von uns, in der oben erwähnten Eigenschaft, und unter dem bereits ausgedrükten Vorbehalte, Folgendes festgesezt:

Artikel 1. Für das Jahr 1803 ist Freiburg der Directorial-Kanton.

Artikel 2. Der Bürger Ludwig von Affry ist Landammann der Schweiz für dieses Jahr, und bis zur Zusammenkunft der Tagsazung mit außerordentlichen Vollmachten versehen.

Artikel 3. Die Originalurkunde der Vermittlungs-Acte soll dem Landammann eingehändigt werden, um dieselbe in das Archiv des Directorial-Kantons niederzulegen.

Artikel 4. In jedem Kanton wird eine Commission von sieben Mitgliedern, deren eines von uns gewählt und sechs von den zehn zur Unterhandlung ausgeschossenen Deputirten bezeichnet worden sind, beauftragt, die Verfassung in Ausübung zu sezen und den Kanton einstweilen zu verwalten.

Artikel 5. Diese Commissionen sind zusammengesetzt wie folgt:

(Es folgen die Namen der Mitglieder der einzelnen Kantonal-Kommissionen.)

Artikel 6. Auf den 10. des nächstkünftigen Märzmonats wird sich die Central-Regierung auflösen, nachdem sie vorher ihre Schriften und Archive dem Landammann der Schweiz eingehändigt haben wird.

Artikel 7. Jede Commission wird sich auf den 10. März am Hauptorte des Kantons versammeln und ihren Zusammentritt sogleich dem Regierungsstatthalter bekannt machen.

Artikel 8. Inner 24 Stunden nach dieser Bekanntmachung wird der Regierungsstatthalter die auf die Verwaltung Bezug habenden Schriften der Commission überliefern.

Artikel 9. In denjenigen Fällen, die besondere Instructionen oder Vollmachten erfordern könnten, werden sich die Commissionen an den Landammann der Schweiz wenden.

Artikel 10. Auf den 15. April wird die Verfassung in Ausübung sein; auf den 1. Juni soll jeder Kanton seine Abgeordneten zur Tagsazung ernannt und ihre Instructionen abgefaßt haben, und am ersten Montag im Juli des gegenwärtigen Jahrs wird die Tagsazung zusammentreten.

Artikel 11. Die bei dem obersten Gerichtshofe anhängig gebliebenen Geschäfte werden vor das Appellationsgericht des Kantons gebracht werden, in dem sich die Parteien befinden. Der oberste Gerichtshof wird seine Verrichtungen auf den 10. März einstellen.

Artikel 12. Die helvetischen Truppen, die sich gegenwärtig im Solde der Schweiz befinden und auf den 1. Mai von den Kantonen nicht werden angestellt sein, sollen in den Dienst der fränkischen Republik angenommen werden.

Artikel 13. Niemand kann für wirkliche oder vorgebliche Revolutionsverbrechen belangt werden, es mögen nun dieselben im Privatstande, oder während der Ausübung eines öffentlichen Amtes begangen worden sein.

[Liquidierung der helvetischen Staatsschulden]

Da die Auflösung der Central-Regierung und die Wiederherstellung der Souveränetät in den Kantonen Vorkehrungen zu Tilgung der helvetischen Schulden und eine Verfügung über die als national erklärten Güter erheischen, so wird von Uns, in unserer oben erwähnten Eigenschaft und unter dem bereits ausgedrückten Vorbehalte, Folgendes festgesetzt:

Artikel 1. Die Güter, die vormals den Klöstern zugehörten, sollen ihnen wieder zugestellt werden, sei es, daß diese Güter in dem nämlichen oder in einem andern Kanton gelegen seien.

Artikel 2. Die Verwaltung der National-Güter, mit Ausnahme derjenigen in den Kantonen Waadt und Aargau, die vormals Bern zugehörten, wird vorläufig den Kantonen überlassen, deren Eigenthum sie waren; die Berner Schuldtitel sollen einstweilen dreien von den Kantonen Bern, Waadt und Aargau ernannten Commissarien eingehändigt werden.

Artikel 3. In jedem Kanton, der mit Schulden belastet ist, die aus der Zeit vor der Revolution herstammen, soll aus dem übrig bleibenden ehemaligen Kantonal-Vermögen zu ihrem Unterpfande oder für ihre Abführung ein Fond angewiesen werden.

Artikel 4. Für jede Stadt soll ein mit ihren örtlichen (Municipal-) Ausgaben verhältnißmäßiges Einkommen wieder errichtet werden.

Artikel 5. Die National-Schuld soll liquidirt und die von einigen Kantonen besessenen Schuldtitel auf das Ausland sollen vor Allem aus und nach einer gleichmäßigen Vertheilung zu ihrer Tilgung verwendet werden. Wenn die Schuld den Betrag dieser Titel übersteigt, so soll der Ueberschuß auf die Kantone vertheilt werden, und zwar nach Maaßgabe derjenigen ehemaligen unbewegliche» Güter, die nach Abführung der vor der Revolution entstandenen Kantonal-Schulden, und nach der Wiedererrichtung eines Eigenthums für die Städte, ihnen übrig bleiben.

Artikel 6. Die beweglichen und unbeweglichen Güter, die nach der Wiedererrichtung des (in den obigen Artikeln vermeldeten) Gemeineigenthums und nach Bezahlung der Kantonal- und National-Schulden übrig bleiben, fallen den Kantonen, denen sie ehemals zugehört haben, wieder anheim. Diejenigen, die in den Kantonen Waadt und Aargau übrig bleiben, fallen diesen Kantonen zu. Was von den bernischen Schuldtiteln allfällig übrig bleibt, soll gleichmäßig unter die Kantone Bern, Waadt und Aargau vertheilt werden.

Artikel 7. Eine Commission von fünf Mitgliedern, nämlich den Bürgern Stapfer, Minister der helvetischen Republik; Custer, gewesenem Finanzminister; Rämv. ehemaligem Kanzler von Freiburg, und gegenwärtigem Mitgliede der Verwaltungskammer; Sulzer von Winterthur, helvetischem Deputirten, und Lorenz Mayr von Lucern, Präsident der Verwaltungskammer, - wird die Bedürfnisse der Municipalitäten untersuchen; den Umfang denselben und die zur Wiedererrichtung ihres Einkommens nöthigen Fonds bestimmen; die Kantonal- und National-Schulden liquidiren; für jede Schuld die zu ihrer unterpfändlichen Versicherung oder zu ihrer Tilgung erforderlichen Fonds anweisen, und endlich entscheiden, welche Güter jedem Kantone wieder eigenthümlich zufallen sollen.

Artikel 8. Sie wird ihre Arbeiten über die Schulden den 10. Mai, und diejenigen über die Einkünfte den Städte und das Eigenthum der Kantone den 10. Juni bekannt machen; jede derselben wird sie sogleich dem Landammann der Schweiz und jedem einzelnen Kantone mittheilen, um denen Resultate in Vollziehung zu sezen.

Artikel 9. Die Commission wird an dem Hauptorte des Directonial-Kantons zusammentreten und bis zu Beendigung ihrer Arbeiten daselbst verweilen.

 

    Die gegenwärtige Acte, als das Resultat einen langen Erörterung zwischen klugen und wohlgesinnten Männern, schien uns die angemessensten Verfügungen für die Herstellung des Friedens und die Gründung der öffentlichen Wohlfahrt in der Schweiz zu enthalten. Sobald dieselben zur Ausführung gekommen sein werden, sollen die fränkischen Truppen zurückgezogen werden.

    Wir erkennen Helvetien, nach der in der gegenwärtigen Acte aufgestellten Verfassung, als eine unabhängige Macht.

    Wir garantiren die Bundesverfassung und die eines jeden Kantons gegen alle Feinde der Ruhe Helvetiens, wer sie immer auch sein mögen, und wir verheißen, die freundschaftlichen Verhältnisse, die seit mehreren Jahrhunderten beide Nationen verbunden haben, fernerhin fortzusezen.

    Also geschehen und gegeben zu Paris, den 30. Pluviose, im Jahr XI. (19. Februar 1803).

Bonaparte.

Der Staats-Secretär,
Hugues B. Manet.

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten,
Ch. Maur. Tahleyrand.

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten der italienischen Republik,
J. Marescalchi.

Die gegenwärtige Acte ist von den unterzeichneten Senatoren, als Committirten, den zehn unterzeichneten Schweizer-Deputirten eingehändigt worden, zu

Paris, den 30. Pluviose im Jahr XI. (19. Februar 1803).

Barthelemy.
Röderen.
Fouche.
Démeunier.

Ludwig von Affny.
Peter Gluz.
Emanuel Jauch.
H. Monod.
Reinhard.
Sprecher-Bennegg.
P. A. Stapfen.
Paul Usteni.
R. von Wattenwyl von Montbenay.
Ignaz von Flüe.


Quellen: Nabholz/Kläui, Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Kantone, Verlag H.R.Sauerländer & Co., Aarau, 1940
K.H.L. Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789, Brockhaus Leipzig 1833

© 9. Januar  2002 - 6. Mai 2005
Home             Zurück          Top