Staatsverfassung für den Eidgenössischen Stand Solothurn

vom 19. Christmonat 1840

aufgehoben durch
Verfassung vom 31. Dezember 1850

 

Wir Präsident und Großer Rath
der Republik Solothurn,

Da Wir gemäß § 57 Unserer Staatsverfassung von 1831 in Unserer Sitzung vom 15. Oktober abhin anerkannt haben, daß eine Verfassungs-Revision nothwendig sei,

haben auf den Vorschlag Unserer zu diesem Ende aufgestellten Kommission

beschlossen:

Folgendes ist die Staatsverfassung des Kantons Solothurn:

I. Abschnitt..
Allgemeine Bestimmungen.

§ 1. Der Kanton Solothurn ist ein Freistaat, und bildet ein Bundesglied der schweizerischen Eidgenossenschaft. Allfällige Abänderungen des bestehenden Bundesvertrages sind der Genehmigung des Volkes unterworfen.

§ 2. Die höchste Gewalt des Kantons Solothurn geht vom Volke aus; siw eird aber nur durch seien Stellvertreter ausgeübt, welche nach der von ihm genehmigten Verfassung gewählt werden.

§ 3. Die römisch-katholische Religion ist die Religion des Kantons Solothurn, mit Ausnahme der Amtei Bucheggberg, wo die evangelisch-reformirte gewährleistet wird.

§ 4. Die Freiheit der Presse und Meinungsäußerung ist gewährleistet. Das Gesetz bestimmt die Bestrafung des Mißbrauchs.

§ 5. Der freie Gewerb- und Handelsverkehr ist anerkannt. Allfällige Polizeiverordnungen sollen nur von dem Grundsatze der Gewerbsfreiheit ausgehen und sind von dem Kantonsrathe zu erlassen. Der Gesetzgebung bleibt vorbehalten, gegen diejenigen Staaten, in welchen solothurnische Kantonsbürger nicht mit den Angehörigen dieser Staaten gleiche Rechte genießen, Beschränkungen eintreten zu lassen.

§ 6. Das Petitionsrecht ist gewährleistet. Dasselbe kann von Behörden, Korporationen und Privaten einzeln und vereint ausgeübt werden.

§ 7. Das durch die bisherige Gesetzgebung als Stammvermögen erklärte Staatsgut ist so weit unantastbar, daß darüber nur in Kriegszeiten und für Kriegsbedürfnisse vom Kantonsrathe mit drei Viertel Stimmen der Gesammtheit desselben verfügt werden kann.

§ 8. Zehnten und ähnliche dingliche Lasten, die gesetzlich abgeschafft sind, dürfen nicht wieder eingeführt werden.

§ 9. Das Gesetz bestimmt, in welchen Fällen und wie Personen, die durch Verfügung von Verwaltungsbehörden in ihren Rechten verletzt worden, ihre Entschädigungsansprüche und die Aufhebung der Verfügung geltend machen können.

§ 10. Die richterliche Gewalt ist mit Ausnahme der Verwaltungs-Gerichtsbarkeit von der vollziehenden getrennt.

§ 11. Die bestehenden Gesetze und Verordnungen bleiben in Kraft, bis sie von der zuständigen Behörde abgeändert werden.

§ 12. Bei allen durch die Verfassung ausdrücklich vorgesehenen Wahlen entscheidet das geheime absolute Stimmenmehr.

§ 13. In allen durch die Verfassung aufgestellten Behörden, deren Mitgliederzahl ungerade ist, und in welchen die Hälfte der Mitglieder von 5 zu 5 Jahren austritt, hat der größere Theil zuletzt auszutreten. Der erste Austritt wird durch das Loos entschieden.

§ 14. Die Sitzungen des Kantonsrathes und die Verhandlungen vor den Gerichten sind in der Regel öffentlich.

§ 15. Der Kanton Solothurn wird in fünf Oberämter eingetheilt. Dieselben sind:
1) Solothurn und Läbern.
2) Bucheggberg und Kriegstetten.
3) Balsthal.
4) Olten und Gösgen.
5) Dorneck und Thierstein.

II. Abschnitt.
Öffentliche Gewalten.

A. Gesetzgebende Gewalt.

§ 16. Die Stellvertreter des Volkes, aus 105 Mitlgiedern bestehend, bilden den gesetzgebenden Rath, der sich "Präsident und Kantonsrath von Solothurn" nennt.

§ 17. Von den Mitgliedern des Kantonsrathes werden 55 unmittelbar durch die Kantonsbürger in Kreiswahlen, 41 mittelbar durch Wahlmänner in Kollegienwahlen, und 9 vom Kantonsrathe selbst gewählt.

§ 18. Zum Behuf der Kreis- und Kollegienwahlen wird der Kanton Solothurn in zehn Kreise eingetheilt, und es fallen im Verhältnisse der Bevölkerung nach der amtlichen Zählung von 1837 auf jeden Kreis folgende Wahlen:
Auf
Solohurn 4 unmittelbare, 3 mittelbare Wahlen.
Lebern 6 unmittelbare, 4 mittelbare Wahlen.
Bucheggberg 5 unmittelbare, 4 mittelbare Wahlen.
Kriegstetten 6 unmittelbare, 5 mittelbare Wahlen.
Balsthal-Thal 5 unmittelbare, 4 mittelbare Wahlen.
Balsthal-Gau 5 unmittelbare, 3 mittelbare Wahlen.
Olten 8 unmittelbare, 6 mittelbare Wahlen.
Gösgen 6 unmittelbare, 4 mittelbare Wahlen.
Dorneck 5 unmittelbare, 3 mittelbare Wahlen.
Thierstein 5 unmittelbare, 4 mittelbare Wahlen.

§ 19. Alle Wahlen sind frei aus den stimmfähigen Bürgern des Kantons (§ 22), mit Ausnahme, daß jedes Wahlkollegium ein Mitglied ernennen soll, das nicht Bürger seines Kreises ist.

§ 20. Zur Bildung der Wahlkollegien wählt jede Gemeinde auf 50 Einwohner nach der je bestehenden amtlichen Zählung einen Wahlmann.

Jeder stimmfähige Kantonsbürger kann in seiner Bürgergemeinde als Wahlmann ernannt werden.

§ 21. Die Wahlkreise werden zur Vornahme der unmittelbaren Wahlen auf den gleichen Tag zusammen berufen.

Bei Doppelwahlen entscheidet das Loos, für welchen Kreis die Wahl gelten soll.

Die gleichen Bestimmungen gelten für die Kollegienwahlen.

§ 22. Alle im Kanton wohnenden Gemeindsbürger, die weltlichen Standes sind, haben das Recht, sowohl bei der unmittelbaren Ernennung der Mitglieder des Kantonsrathes, als auch zur Bezeichnung der Wahlmänner zu stimmen.

Ausgenommen sind
a. die nicht eigenen Rechtes sind;
b. die im öffentlichen Allmosen stehen oder darin gestanden sind und für das Erhaltene noch nicht Ersatz geleistet haben, worunter jedoch diejenigen, welche für sich oder ihre Kinder Unterstützung zum Besuche von Schulen oder zur Erlernung oder Ausübung einer Kunst oder eines Handwerkes erhalten haben, nicht mitbegriffen sind;
c. die mit einer entehrenden Strafe Belegten, so lange sie nicht wieder in ihre staatsbürgerlichen Rechte eingesetzt sind.

§ 23. Jeder Kantonsbürger übt sein Stimmrecht bei den unmittelbaren Wahlen im Kreise, worin er Bürger ist, bei den Kollegienwahlen in seiner Bürgergemeinde aus.

Hat Jemand das Bürgerrecht in mehreren Gemeinden, so stimmt er in jener, in welcher er wohnt; wohnt er in keiner derselben, so stimmt er in der Heimatgemeinde, wo er oder seine Vorfahren zuletzt gewohnt haben.

§ 24. Die regelmäßige Amtsdauer eines Mitgliedes des Kantonsrathes ist 10 Jahre.

Alle fünf Jahre tritt die Hälfte der Mitglieder aus; das erste Mal im Jahre 1846. Die Austretenden wedern in der jedesmal dem ersten Juni vorhergehenden verfassungsmäßigen Versammlung bezeichnet. Die Wahlen finden im Mai statt. Die zum Austritt bezeichneten Mitglieder erhalten Sitz und Stimme, bis sie ersetzt sind.

§ 25. Das Gesetz bestimmt die Fälle, in welchen überdieß die Stelle eines Mitgliedes des Kantonsrathes erledigt zu erklären ist.

§ 26. Die neuerwählten Mitglieder des Kantonsrathes treten sogleich ein, auch bevor das Wahlverbale genehmigt worden.

§ 27. Die Kreisversammlungen und Wahlkollegien werden zur Besetzung der durch den periodischen Austritt erledigten Stellen alle 5 Jahre zusaammenberufen.

Wenn in der Zwischenzeit eine solche Stelle erledigt wird, so soll sie inner 6 Monaten wieder besetzt werden.

Ist ein vom Kantonsrathe selbst gewähltes Mitglied zu ersetzen, so geschieht dieses in der ersten Sitzung des Kantonsrathes nach der Anzeige der Erledigung.

§ 28. Jedes neugewählte Mitglied des Kantonsrathes tritt in Hinsicht des Austrittes an die Stelle seines Vorgängers.

§ 29. Der Kantonsrath erwählt aus seiner Mitte seinen Präsidenten und Vicepräsidenten die nicht Mitglieder des Regierungsrathes sein dürfen.

Der Präsident und Vicepräsident des Kantonsrathes sind für ein Jahr je für eine Amtsdauer vom 1. Jänner bis Ende Christmonats gewählt. Ersterer ist ein Jahr lang nicht wieder wählbar.

§ 30. Wird die Stelle eines Präsidenten des Kantonsrathes in der Zwischenzeit (§ 29) erlediget, so geht die Amtsdauer des neu Gewählten nur bis Ende des Jahres; er ist jedoch für das folgende Jahr wieder wählbar. Gleiche Bestimmung gilt in Bezug auf dießfällige Amtsdauer für den Vicepräsidenten.

§ 31. er Kantonsrath versammelt sich ordentlicherweise dreimal des Jahres.

Er wird durch seinen Präsidenten zusammenberufen:
1) zu den ordentlichen Sitzungen;
2) zu den außerordentlichen, und zwar
    a) wenn 35 Mitglieder des Kantonsrathes es verlangen, innerhalb 10 Tagen, vom Tage an gerechnet, an welchem jenes Begehren eingereicht worden ist;
    b) wenn es der Regierungsrath verlangt in der von diesem begehrten Frist;
    c) wenn es der Präsident des Kantonsrathes von sich aus für nothwendig findet.

§ 32. Der Kantonsrath hat das ausschließliche Recht der Gesetzgebung.

Er erläßt, verwirft, ändert oder weist zurück die vom Regierungsrathe vorgeschlagenen Gesetze. Erk ann den Regierungsrath zu Einreichung eines Vorschlags zu einem gesetze oder Beschlusse in einer bestimmten Zeit auffordern, und wenn inner derselben keine erfolgt, durch eine aus seiner Mitte zu ernennende Kommission sich einen solchen einreichen lassen.

§ 33. Er erläßt das Reglement des Regierungsrathes und der Wahlbehörde.

§ 34. Er beschließt über allgemeine Steuern und  Abgaben.

§ 35. Er bewilligt die Veräußerung von Staatsgütern, so wie über den Ankauf von Liegenschaften, welcher die Summe von 5000 Frk. übersteigt.

§ 36. Er bestimmt auf den Vorschlag des Regierungsrathes den Voranschlag der jährlichen Staatseinkünfte und Ausgaben

§ 37. Er prüft und genehmigt alljährlich die ihm vom Regierungsrathe über die Verwaltung des Staatsvermögens abgelegte Rechnung, welche alljährlich auszugsweise zu gedruckt und veröffentlicht werden soll.

§ 38. Er läßt sich vom Regierungsrathe über die Vollziehung der Gesetze und Verordnungen, so wie über alle Zweige der Staatsverwaltung alljährlich Rechenschaft ablegen.

§ 39. Er ertheilt die Instruktionen auf die Tagsatzung, er ernennt die Abgeordneten an dieselbe und läßt sich von ihnen Bericht erstatten.

Er entscheidet auch über die Frage, ob eine Zusammenberufung einer außerordentlichen Tagsatzung verlangt werden solle.

§ 40. Verträge mit andern Staaten können vom Regierungsrathe nur mit Vollmacht des Kantonsrathes abgeschlossen werden.

§ 41. Der Kantonsrath ertheilt das Kantonsbürgerrechts.

§ 42. Geistliche und andere fremde Korporationen können nur mit Bewilligung des Kantonsrathes Aufnahme und Niederlassung im Kanton erhalten.

§ 43. Der Kantonsrath hat das Begnadigungs-Recht. Er kann es auch einer von ihm zu bezeichnenden Behörde zum Theil oder ganz übertragen. Das Nähere bestimmt das Gesetz.

§ 44. Ein Staatsschreiber wird von dem Kantonsrathe auf 5 Jahre gewählt.

B. Vollziehende Gewalt.

§ 45. Die vollziehende Gewalt wird von einem Regierungsrathe ausgeübt. Unter ihm stehen die Oberamtmänner.

§ 46. Der Regierungsrath besteht aus 9 Mitgliedern und nennt sich:

"Landammann und Regierungsrath des Kantons Solothurn."

§ 47. Die Mitglieder des Regierungsrathes werden von dem Kantonsrathe frei aus allen im Kantone wohnenden Kantonsbürgern auf zehn Jahre gewählt.

Alle fünf Jahre tritt die Hälfte der Mitglieder aus.

§ 48. Der Landammann ist Präsident des Regierungsrathes, er wird vom Kantonsrathe aus der Mitte des Regierungsrathes für ein Jahr je für die Amtsdauer vom 1. Jänner bis Ende Christmonats gewählt. Bis nach Verfluß eines Jahres ist er nicht wieder wählbar.

§ 49. Wird die Landammannsstelle in der Zwischenzeit (§ 48) erledigt, so geht die Amtsdauer des neu Gewählten nur bis Ende des Jahres; er ist jedoch für das folgende Jahr wieder wählbar.

§ 50. Die Wiederbesetzung einer erledigten Stelle im Regierungsrathe geschieht in der ersten Versammlung des Kantonsrathes.

§ 51. Jedes neuerwählte Mitglied des Regierungsrathes tritt in Hinsicht des Austrittes an die Stelle seines Vorgängers.

§ 52. Beim Austritt des Landammanns als Mitglied des Regierungsrathes ist die Landammannsstelle erledigt und es wird zuerst zur Ergänzung der Regierungsrathsstelle und erst dann zur Wahl des Landammanns geschritten.

§ 53. Der Regierungsrath schlägt entweder von sich aus oder auf Auftrag des Kantonsrathes Gesetze und Beschlüsse vor (§ 32).

§ 54. Der Regierungsrath sorgt für die Vollziehung der Gesetze, und erläßt die zu diesem Behufe, so wie die zur Handhabung der Polizei und zum Behufe der übrigen zweige der Staatsverwaltung erforderlichen Verordnungen und Beschlüsse, welche jedoch bestehenden Gesetzen nicht zuwiderlaufen dürfen.

§ 55. Der Regierungsrath verfügt über das Militär zur Handhabung der äußern Sicherheit und innern Ruhe.

§ 56. Er entwirft die Instruktionen auf die Tagsatzung.

§ 57. Er legt alljährlich dem Kantonsrathe über alle Theile der Verwaltung Rechenschaft ab.

§ 58. Er legt dem Kantonsrathe jährlich einen Voranschlag über die Einnahmen und Ausgaben des künftigen Rechnungsjahres, und die Rechnung über die Verwaltung des Staatsvermögens vom letzten Rechnungsjahre vor.

§ 59. Er hat das Recht, Liegenschaften ankaufen, wenn sie die Summe von 5000 Franken nicht übersteigen; in dringenden Fällen darf er mit sieben Stimmen diesen Betrag auch überschreiten.

§ 60. Er vergibt alle Stellen, welche nicht ausdrücklich dem Kantonsrathe vorbehalten, oder durch das Gesetz der Wahlbehörde übergeben werden.

Diese Wahlbehörde besteht aus dem Regierungsrathe und aus 12 aus der Mitte des Kantonsrathes für den Zeitraum eines Jahres zu ernennenden Zuzügern.

Zur Vornahme einer gültigen Wahl ist die Anwesenheit von wenigstens 17 Mitgliedern der Wahlbehörde erforderlich.

§ 61. Aus jedem Kreise soll aus der Zahl der Kantonsräthe, welche von ihm in den Kreis- und Kollegienwahlen ernannt worden, wenigstens - ein Zuzüger (§ 60) genommen werden. Kein von der Wahlbehörde gewählter Beamteter darf zugleich Zuzüger sein.

§ 62. Weder der Regierungsrath noch die aufgestellte Wahlbehörde darf zu gleicher Zeit enthalten: Vater und Sohn, Großvater und Enkel, Brüder, Oheim und Neffe, Großoheim und Kleinneffe, Geschwisterkinder, wirklicher Schwiegervater und Tochtermann, wirkliche Schwäger.

Der Landammann und der Staatsschreiber dürfen sich gegenüber nicht Vater und Sohn oder zwei Brüder sein.

§ 63. Ein Mitglied des Regierungsrathes, das nicht Mitglied des Kantonsrathes ist, kann vom Regierungsrathe als dessen Berichterstatter im Kantonsrathe ernannt werden.

§ 64. Für jedes Oberamt besteht ein Oberamtmann, der vom Kantonsrathe auf fünf Jahre gewählt wird; nach der ersten Amtsdauer ist er für das gleiche Oberamt wieder wählbar, nach der zweiten aber kann er für dasselbe während fünf Jahren nicht wieder gewählt werden.

C. Richterliche Gewalt.

§ 65. In jedem Oberamte besteht als erstinanzliches Civil- und Polizeigericht ein Amtsgericht von fünf Mitglieder mit Einschluß des Amtsgerichtspräsidenten.

§ 66. Der Amtsgerichtspräsident wird vom Kantonsrathe auf 5 Jahre gewählt. Er ist nach der ersten Amtsdauer für das gleiche Oberamt wieder wählbar; nach der zweiten aber kann er für dasselbe während 5 Jahren nicht wieder gewählt werden.

Die Amtsrichter werden vom Kantonsrathe auf 10 Jahre gewählt; von denselben tritt alle 5 Jahre die Hälfte aus.

§ 67. Ein aus 6 Mitgliedern und dem Präsidenten bestehendes Kriminalgericht spricht in erster Instanz über alle Kriminalfälle.

§ 68. Die Mitglieder des Kriminalgerichts werden vom Kantonsrathe auf 10 Jahre gewählt. Alle 5 Jahre tritt die Hälfte aus.

§ 69. Das Präsidium des Kriminalgerichtes wird vom Kantonsrathe gewählt. Das Gesetz bestimmt die Amtsdauer desselben.

§ 70. Ein aus 9 Mitgliedern bestehendes Obergericht spricht in letzter Instanz über alle rekursfähigen und dahin gezogenen Sprüche in Civil- und Polizeisachen. Es bildet auch die letzte Instanz in Kriminalfällen. Eine Todesstrafe kann nur mit sechs Stimmen ohne jene des Präsidenten ausgesprochen werden.

§ 71. Bei den Mitgliedern des Obergerichtes tritt in Beziehung auf die Wahl, die Amtsdauer und den Austritt dasselbe ein, was bei den Mitgliedern des Regierungsrathes.

§ 72. Der Präsident des Obergerichtes wird aus dessen Mitte vom Kantonsrathe auf 5 Jahre gewählt.

§ 73. Das Obergericht muß zur Fällung eines gültigen Urtheiles vollzählig sein; nur bei Beurtheilung solcher rekursfähigen Sachen, für welche auch die Vollzähligkeit des Amtsgerichtes nicht erfordert wird, sind 7 Mitglieder hinreichend.

§ 74. Sind die Stimmen in dem Kriminalgerichte gleich getheilt, so kann nicht auf Todesstrafe erkannt werden.

§ 75. Bei der Verwaltungs-Gerichtsbarkeit bildet der Oberamtmann die erste, der Regierungsrath die zweite Instanz.

§ 76. Die Militärgerichtsbarkeit wird durch das Gesetz bestimmt.

§ 77. Bei Kriminalsachen findet eine Anklage und Vertheidigung statt.

§ 78. Dieselbe Beschränkung hinsichtlich der Verwandtschaft, die zwischen den Mitgliedern des Regierungsrathes besteht, tritt auch zwischen den Mitgliedern sämmtlicher Gerichte ein.

§ 79. Die Kompetenz der Amtsgerichtspräsidenten und der Friedensrichter wird durch das Gesetz bestimmt.

III. Abschnitt.
Einführung und Revision der Staatsverfassung.

§ 80. Wenn die Verfassung von der Mehrheit der sämmtlichen in ihren Wohngemeinden durch geheimes Mehr stimmenden Kantonsbürger angenommen wird, so sollen vom Kleinen Rathe sogleich die Wahlen der Mitglieder des Kantonsrathes in den Kreisen und Kollegien angeordnet werden.

§ 81. Sobald die Wahlen vor sich gegangen, ruft der Kleine Rath die neuen Mitglieder des Kantonsrathes zusammen.

§ 82. Beim ersten Zusammentritt des Kantonsrathes schreitet derselbe unter dem Vorsitze des ältesten anwesenden Mitgliedes zur Untersuchung der Wahlverbale und zur Ernennung seiner noch mangelnden 9 Mitglieder, und erklärt sich nach der Wahl des Präsidenten und Vicepräsidenten als konstituirt.

§ 83. Der jetzige Kleine Rath bleibt in seinen Verrichtungen, bis sich der neue Regierungsrath konstituirt hat.

Die Mitglieder der übrigen Behörden, die Beamten und Bediensteten bleiben in ihren bisherigen Verrichtungen, bis sie von der neuen kompetenten Behörde abberufen werden.

§ 84. Wenn im zehnten Jahre nach der Annahme dieser Verfassung entweder die Mehrheit der stimmfähigen Kantonsbürger, oder die Mehrheit der Gesammtheit der Mitglieder des Kantonsrathes auf den Antrag eines Mitgliedes es verlangt, so soll eine Verfassungsrevision stattfinden.

Sollte aber im zehnten Jahre ein solcher Antrag gemacht werden, so soll das erst von 5 zu 5 Jahren von da an geschehen können.

§ 85. Diese Verfassungsrevision geht vom Kantonsrathe aus.

Sollte der daherige Entwurf vom Volke verworfen werden, so wird ein von den stimmfähigen Kantonsbürgern im Wahlkreise ihres Wohnortes nach der Bevölkerung unmittelbar gewählter Verfassungsrath zur Entwerfung eines neuen Vorschlages aufgestellt.

Würde der letztere vom Volke ebenfalls verworfen, so soll die Verfassung, die bis dahin bestand, noch fortdauern, und es kann dann erst von 5 zu 5 Jahren eine neue Verfassungsrevision verlangt werden.

§ 86. In den Verfassungsrath (§ 85) wird nach der jeweiligen letzten amtlichen Volkszählung je auf 650 Seelen ein Mitglied ernannt; ebenso auf eine Bruchzahl, welche die Hälfte obiger Seelenzahl übersteigt.

§ 87. Gegenwärtige Verfassung, die den eidgenössischen Bundesverträgen untergeordnet bleibt, soll von Unserm Standespräsidenten und Staatsschreiber unterzeichnet, mit dem Staatssiegel versehen, und nach erfolgter Annahme laut § 15 des Bundesvertrages in das eidgenössische Archiv niedergelegt werden.

 

Wir Präsident und Kleiner Rath
der Republik Solothurn

beurkunden hiemit,

daß die gegenwärtige neue Staatsverfassung des Kantons Solothurn am 10. Jänner d. J. von der Mehrheit der sämmtlichen in ihren Wohngemeinden stimmenden Kantonsbürger unter 10566 stimmenden mit 6289 gegen 4277, die zur Verwerfung gestimmt haben, angenommen worden ist.

    Gegeben den 13. Jänner 1841.

Der Präsident:
J. Munzinger.

Der Staatsschreiber
X. Amiet.

Die vorstehende Verfassung Solothurns von 1840/41 war eine streng repräsentative und konservative Verfassung. Insbesondere die 10jährige Wahlperiode von Regierungsrat und Kantonsrat ist bemerkenswert.

Kurz vor der Abstimmung kam es am 6. Januar 1841 zu einem Putschversuch der Konservativen gegen den amtierenden liberalen Kleinen Rat, der jedoch gescheitert ist.


Quellen: Sammlung der Gesetze und Verordnungen für den eidgenössischen Stand Solothurn 1851, L. Band
© 10. Oktober  2005 - 11. Oktober 2005


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