vom 29. December 1830
aufgehoben durch
Verfassung vom 19. Dezember 1840
Wir Schultheiß, klein und große Räthe der Republik Solothurn,
in der Überzeugung sowohl, daß ein billiges Verhältniß in der Stellvertretung zwischen Stadt und Land nothwendig sey, die Bildung Unserer Mitbürger freiere Formen fordere, und die Staatseinrichtungen hauptsächlich auf das öffentliche Zutrauen gestützt seyn sollen, als auch in der Absicht, die Geistesentwicklung zu befördern, und die persönliche Freiheit noch mehr zu gewährleisten,
haben,
in Folge Unserer Proclamation vom 26. November abhin, und auf den Vorschlag Unserer zur Revision der Verfassung niedergesetzten Commission, so wie auch auf die Bemerkungen und Anträge des kleinen Raths
beschlossen:
Folgendes ist die Staatsverfassung der Republik Solothurn.
1. Die höchste Gewalt des Cantons Solothurn gehet von dem Volke aus; sie wird aber nur durch seine Stellvertreter ausgeübt, welche nach der von ihm genehmigten Verfassung gewählt werden.
2. Diese Stellvertreter, aus einhundert neun Mitgliedern bestehend, bilden einen großen Rath, der sich "Präsident und großer Rath der Republik Solothurn" nennt.
3. Die Mitglieder des großen Raths werden folgendermaßen
ernannt:
a) von den Wahlkreisen 26;
b) von den Wahlcollegien 70;
c) vom großen Rathe selbst 13.
4. Zum Behufe der Kreiswahlen wird der Cantons Solothurn
in zehn Wahlkreise eingetheilt, welche sind:
1) Die Abtei Solothurn.
2) Die Amtei Bucheggberg.
3) Die Amtei Kriegstetten.
4) Die Amtei Läbern.
5) Die Gerichte Balsthal und Matzendorf.
6) Die Gerichte Oensingen und Egerkingen.
7) Die Amtei Olten.
8) Die Amtei Gößgen.
9) Die Amtei Dorneck.
10) Die Amtei Thierstein.
5. Die gesammte stimmfähige Bürgerschaft des Kreises Solothurn ernennt acht, diejenige eines jeden der übrigen Kreise aber zwei Mitglieder des großen Rathes aus der wahlfähigen Bürgerschaft des Kreises selbst.
6. In jedem Kreise wird ein Wahlcollegium gebildet, und
zwar:
a) In der Stadt Solothurn durch vier Quartiere, wovon jedes ein Drittel seiner
im Canton wohnenden stimmfähigen Bürgerschaft als Wahlmänner ernennt.
Die Quartiereintheilung wird von der Regierung so
vorgenommen, daß jede Abtheilung soviel möglich eine gleiche Anzahl Stimmfähiger
zählt; das Gesetz wird die Zeit bestimmen, wann eine Revision der
Quartiereintheilung vorzunehmen sey.
b) In den übrigen Wahlkreisen durch die Gemeinden, die von fünfzig Einwohnern
einen Wahlmann erwählen; die Bevölkerung wird nach der jedesmaligen letzten
officiellen Zählung berechnet.
7. Folgendes ist die Zahl der Mitglieder des großen Raths, die von
jedem Wahlcollegium zu ernennen sind:
Solothurn 26.
Bucheggberg 4.
Kriegstetten 5.
Läbern 6.
Balsthal und Matzendorf 4.
Oensingen und Egerkingen 4.
Amtei Olten 8.
Amtei Gößgen 5.
Amtei Dorneck 4.
Amtei Thierstein 4.
8. Die Collegien wählen die von ihnen zu ernennenden Mitglieder des großen Raths frei aus der gesammten Bürgerschaft des Cantons, mit der Ausnahme jedoch, daß jedes derselben zwei Mitglieder ernennen soll, die nicht Ortsbürger seines Kreises sind.
9. Der große Rath ernennt durch absolutes Stimmenmehr sechs seiner Mitglieder ab der Landschaft und drei aus der Stadt Solothurn; die Wahl der übrigen vier ist frei.
10. Alle im Canton wohnende Ortsbürger eines Wahlkreises, die weltlichen Standes sind, haben das Recht, in ihrem Kreise, sowohl bei Ernennung der Mitglieder des großen Raths, als auch in ihren Gemeinden und Quartieren bei Bezeichnung der Wahlmänner zu stimmen.
Ausgenommen sind:
a) Die Minderjährigen:
b) Die im öffentlichen Almosen Stehenden.
c) Die mit einer Criminalstrafe Belegten, so lange sie nicht wieder in ihre
bürgerlichen Rechte eingesetzt sind.
d) Die nicht eigenen Rechtens, also bevogtet, in einer öffentlichen Anstalt
verpfründet, an einen Geldstag erkannt, oder mit Verlust vergeldstaget sind.
11. Jeder stimmfähige Bürger eines Wahlkreises kann als Wahlmann ernannt werden, wenn er, ausgenommen bei Ältern, in Niemandes Kost und Lohn steht.
12. Um zu einem Mitgliede des großen Raths erwählt werden zu können, muß man die Eigenschaften eines Wahlmanns haben, und überdies ein ererbtes oder seit zwei Jahren erworbenes Ortsbürgerrecht im Canton besitzen; - die Eingetheilten jedoch sind wählbar, sobald sie sich ein Ortsbürgerrecht erworben haben.
13. Ein besonderes Gesetz wird die Fälle bestimmen, in welchen die Stelle eines Mitglieds des großen Raths als erledigt zu erklären ist.
14. Dem großen Rathe stehet die Gesetzgebung zu; er erläßt oder verwirft demnach die Gesetze, welche ihm vom kleinen Rathe vorgeschlagen werden; er hat aber auch das Recht, Zusätze und Abänderungen an denselben zu machen, und die Befugniß, diese Behörde zu Einreichung eines Gesetzesvorschlages in einer bestimmten Zeit aufzufordern. Würde inner derselben kein Vorschlag erfolgen; so kann der große Rath durch eine aus seiner Mitte zu ernennende Commission sich einen solchen vorlegen lassen.
15. Der große Rath besitzt das ausschließliche Recht, allgemeine Steuern und Abgaben zu erkennen, und die Veräußerungen von Staatsgütern, so wie auch den Ankauf von Liegenschaften zu bewilligen, welcher die Summe von 5000 Fr. übersteigt; in dringenden Umständen darf jedoch dieser Betrag auch vom kleinen Rathe mit dreizehn Stimmen überschritten werden.
Auf den Vorschlag kleine Rath prüft er den Voranschlag der Einkünfte, und bestimmt die jährlichen Bedürfnisse, so wie die Staatsrechnung alljährlich seiner Prüfung und Genehmigung unterworfen ist. Er läßt sich über die Vollziehung der Gesetze und Verordnungen, so wie über alle Zweige der Staatsverwaltung, Rechenschaft ablegen.
16. Der große Rath ertheilt die Instructionen auf die ordentlichen und außerordentlichen Tagsatzungen, berathet sich über die Aufforderungen zu letztern, ernennt die Gesandten, und läßt sich von ihnen Bericht abstatten. Verträge aller Art mit andern Regierungen werden von ihm abgeschlossen.
17. Dem großen Rathe kömmt allein das Recht zu, das Cantonsbürgerrecht zu ertheilen, so wie auch geistliche und andere fremde Corporationen in den Canton aufzunehmen, und denselben die Niederlassungsbewilligung zu gestatten.
18. Das Begnadigungsrecht stehet dem großen Rathe zu; er kann jedoch die Ausübung desselben einer von ihm zu bestellenden Behörde zum Theil oder ganz übertragen. Ein besonderes Gesetz wird das Nähere bestimmen.
19. Der große Rath erwählt aus seiner Mitte die Mitglieder des kleinen Raths, und bezeichnet unter denselben den Präsidenten. Er erwählt ebenfalls die Mitglieder des Appellations- und Cantonsgerichts, insofern der künftige große Rath die Beibehaltung dieses letztern als nothwendig erachtet, und deren Präsidenten, so wie den Staatsschreiber und die Oberamtmänner. Um zu diesen Stellen gewählt werden zu können, ist nicht erforderlich, Mitglied des großen Raths zu seyn.
20. Alle in dem vorhergehenden § erwähnte Wahlen geschehen durch geheimes und absolutes Stimmenmehr, und sind an kein Verhältniß zwischen Stadt und Land gebunden.
Die Oberamtmänner dürfen weder Mitglieder des kleinen Raths, noch der beiden obern Tribunalien seyn.
21. Der große Rath versammelt sich ordentlicher Weise zweimal des Jahres; jede dieser Versammlungen ist auf die Dauer von fünfzehn Tagen eingeschränkt, kann auch durch den kleinen Rath verlängert, und der große Rath durch denselben auch außerordentlich zusammen berufen werden.
22. Nach jedesmaliger Beendigung einer großen Rathsversammlung sollen die Verhandlungen derselben öffentlich durch den Druck bekannt gemacht werden, insofern nicht ausdrücklich die Geheimhaltung angeordnet wird.
Ob die Sitzungen des großen Raths öffentlich seyn sollen, wird der künftigen Gesetzgebung anheim gestellt.
Abschnitt 2
Vollziehende Gewalt.
23. Ein kleiner Rath von siebzehn Mitgliedern des großen Raths, von dem sie fortwährend einen Theil ausmachen, ist mit dem Vorschlage sowohl, als mit der Vollziehung der von der höchsten Gewalt ausgehenden Gesetze beauftragt.
Er erläßt die zu diesem Ende, so wie die zur Handhabung der Polizei und zum Behufe der übrigen Zweige der Staatsverwaltung erforderlichen Beschlüsse und Verordnungen.
Derselbe hat über die bewaffnete Macht zu verfügen, - die Instructionen auf die Tagsatzung zu entwerfen, - und alljährlich dem großen Rathe über alle Theile der Verwaltung Rechenschaft abzulegen. Ferner stehen auch Ankäufe von Liegenschaften in seiner Befugniß, wenn sie die Summe von 5000 Fr. nicht übersteigen; in dringenden Fällen darf er jedoch mit einer Mehrheit von dreizehn Stimmen diesen Betrag auch überschreiten.
Endlich wird von demselben die Verwaltungsgerichtsbarkeit in letzter Instanz ausübt.
24. Die Wahlbehörde für Vergebung derjenigen Stellen, welche nicht ausdrücklich der höchsten Gewalt vorbehalten sind, bildet der kleine Rath mit zehn Mitgliedern des großen Raths, welche von diesem Letztern auf zwei Jahre dazu bezeichnet werden.
Das Gesetz wird bestimmen, welche Stellen vom kleinen Rathe allein zu vergeben sind.
25. Ein aus der Mitte des kleinen Raths gewählter Präsident führt den Vorsitz im kleinen und großen Rathe. Er kann nur zweimal hinter einander, jedesmal für ein Jahr lang, gewählt werden, und ist nachher, bis nach Verfluß eines Jahres, nicht wieder wählbar.
26. Weder im kleinen Rathe, noch in irgend einer Gerichtsbehörde, oder in der § 24 aufgestellten Wahlbehörde, dürfen Vater und Sohn, oder zwei Brüder zu gleicher Zeit Sitz und Stimme haben. Eben so wenig dürfen Präsident und Staatsschreiber in dem angegebenen Verwandtschaftsverhältnisse stehen; das Gleiche gilt auch von den Präsidenten der Gerichtsbehörden gegen die Gerichts- oder Amtsschreiber.
27. Wenn ein Mitglied des kleinen Raths stirbt, oder sonst zu ersetzen ist; so wird die Wahl desselben sogleich, nachdem der große Rath die Anzeige erhalten, vorgenommen.
Abschnitt 3
Richterliche Gewalt.
28. Die richterliche Gewalt ist, mit Ausnahme der Verwaltungsgerichtsbarkeit, und mit Vorbehalt der laut § 29 festzusetzenden Bestimmungen, von der vollziehenden getrennt.
29. In jedem Oberamte besteht für Civil-, Polizei- und Frevelgerichtsfälle eine erstinstanzliche Gerichtsbehörde, welche Amtsgericht genannt wird; dasselbe bildet auch das Schuldengericht. Dem künftigen großen Rathe wird vorbehalten, zu bestimmen, ob der betreffende Oberamtmann oder ein eigens dazu ernannter Präsident dem Amtsgerichte vorstehen solle.
Durch das Gesetz wird sowohl die Competenz der Friedensrichter, der Ortspolizei und der Oberamtmänner, als die Organisation des Schuldengerichts festgesetzt werden.
30. Dem künftigen großen Rathe wird zu entscheiden überlassen, ob ein Cantonsgericht fortbestehen, und wie das Criminalgericht in erster Instanz gebildet werden solle.
Im Beibehaltungsfalle soll das Cantonsgericht aus neun Richtern, worunter ein Präsident, bestehen; dasselbe beurtheilt in zweiter Instanz alle Civilfälle, die einer Appellation fähig sind, und bildet in Criminalfällen die erste Instanz.
Für die Gültigkeit eines Civilspruchs wird die Anwesenheit von sieben Richtern erfordert.
Zur Beurtheilung von Criminalfällen sollen neun Richtern zugegen seyn, und in jeden Fällen, wo eine Todesstrafe eintreten könnte, werden denselben vier Zuzüger beigeordnet.
Die Gerichtscompetenz in Bevogtigungssachen wird ein Gesetz bestimmen.
31. Dreizehn Richter, worunter ein Präsident, bilden das Appellationsgericht, welches in letzter Instanz alle recursfähigen Sprüche in bürgerlichen Streitsachen, so wie in Polizei- und Frevelfällen beurtheilt. Zur Gültigkeit seiner Sprüche wird das Beiseyn von eilf Richtern erfordert.
Das Appellationsgericht bildet auch die letzte Instanz in Criminalfällen, zu deren Beurtheilung die Anwesenheit von dreizehn Richtern erforderlich ist, denen in jenen Fällen, wo eine Todesstrafe eintreten könnte, noch sechs Zuzüger beigeordnet werden.
32. Sind die Stimmen in dem einen oder dem andern der beiden Tribunalien gleich getheilt; so kann keine Todesstrafe stattfinden.
33. Ein besonderes gesetz wird die Art der Arnennung und die Eigenschaften der Zuzüger, so wie jene der Suppleanten beider Tribunalien, vorschreiben.
34. Die Präsidenten des Appellations- und des Cantonsgerichts, wenn letzteres beibehalten wird, werden für vier Jahre gewählt, und sind nach Verfluß dieser Zeit immer wieder wählbar. - Werden sie nicht wieder als Präsidenten erwählt; so bleiben sie dennoch Mitglieder des Gerichts, mit Vorbehalt der Bestimmungen in Hinsicht des Austrittes § 47.
35. Dem Gesetze bleibt überlassen, zu bestimmen, welche Eigenschaften erforderlich sind, um als Richter gewählt werden zu können.
36. Für die Streitigkeiten im Verwaltungsfache sind zwei Instanzen aufgestellt: die erste ist der betreffenden Oberamtmann, die zweite ist der kleine Rath.
Das Gesetz wird eine strenge Ausscheidung der Civil- und Vewaltungsgerichtsfälle festsetzen.
37. In der Regel sollen bei den Tribunalien in Civil- und Criminalfällen die Vorträge öffentlich stattfinden. Wo diese Öffentlichkeit in einigen Fällen ganz oder theilsweise beschränkt werden soll, bleibt der Gesetzgebung vorbehalten.
38. Bei Criminalsachen findet eine Anklage und Vertheidigung statt. Ein eigenes organisches Gesetz wird das Nähere bestimmen.
Abschnitt 4
Amtsdauer und Austritt.
39. Von den durch die Kreisversammlungen ernannten Mitgliedern des großen Raths sollen alle drei Jahre die Hälfte von den durch die Wahlcollegien Ernannten oder den vom großen Rathes selbst Gewählten alle zwei Jahre der dritte Theil auszutreten haben, so daß also kein Mitglied für länger, als für die Dauer von sechs Jahren ernannt wird.
Die Austretenden sind immer wieder wählbar.
40. Jedes Mitglied behält Sitz und Stimme, bis dasselbe ersetzt ist; die neu Erwählten treten sogleich ein, auch bevor das Wahlverbale genehmigt worden.
41. Die Rangordnung zum Austritte wird für die durch die Kreisversammlung gewählten Mitglieder das erstemal, für jene der durch die Wahlcollegien und den großen Rath ernannten die zwei erstenmale durch das Loos entschieden.
42. Die Wahlcollegien werden alle zwei Jahre, die Kreisversammlungen aber nur alle drei Jahre zusammenberufen, und ersetzen die durch Austritt sowohl, als die in der Zwischenzeit durch Todesfall, Entlassung, oder sonst ledig gewordenen Stellen des großen Raths.
Ist ein vom großen Rath selbst gewähltes Mitglied zu ersetzen; so geschieht dies sogleich nach geschehener Anzeige.
43. Jeder neu ernannte Großrath tritt in Hinsicht des Austrittes in die Fußstapfen seines Vorfahrers.
44. Der Austritt der Mitglieder des kleinen Raths geschieht von zwei zu zwei Jahren jedesmal zu einem Drittheil.
Die Austretenden sind wieder wählbar und sogleich zu ersetzen.
Die Rangordnung zum Austritte wird für das zweite und vierte Jahr durch das Loos bestimmt.
45. Wird ein austretendes Mitglied des kleinen Raths nicht wieder als solches gewählt; so nimmt es seine vorige Stelle im großen Rathe wieder ein, und ist erst alsdann dem gewöhnlichen Austritte der Mitglieder des großen Raths unterworfen.
Jedes neugewählte Mitglied des kleinen Rathes gehört in Hinsicht des Austrittes in die Reihe seines Vorfahrers.
46. Beim Austritte des Präsidenten als Mitglied des kleinen Rathes ist die Präsidentenstelle erledigt, und es wird zuerst zur Ergänzung des kleinen Raths und erst dann zur Wahl des Präsidenten geschritten.
47. Von den Mitgliedern des Appellationsgerichts tritt alle zwei Jahre der sechste Theil, von jenen des Cantonsgerichts im Beibehaltungsfalle aber alle drei Jahre der vierte Theil aus, die Austretenden sind immer wieder wählbar.
Abschnitt 5
Allgemeine Bestimmungen.
48. Die römisch-katholische Religion ist die Religion des Cantons Solothurn, mit Ausnahme der Amtei Bucheggberg, wo die evangelisch-reformirte gewährleistet wird.
49. Jeder Gemeindsbürger des Cantons, der die erforderlichen Eigenschaften besitzt, hat das Recht, zu allen Stellen und Ämtern zu gelangen.
50. Der freie Gewerb- und Handelsverkehr zu Stadt und Land ist förmlich anerkannt; allfällige Polizeiverordnungen sollen nur von diesem Grundsatze ausgehen, und sind von dem großen Rathe zu erlassen.
51. Keine Gemeinde darf einem Ortsbürger von Stadt und Land, wenn diese die durch das Gesetz vorzuschreibenden Bedingnisse wird erfüllt haben, die Aufnahme in ihr Ortsbürgerrecht verweigern.
52. Jeder Einwohner des Cantons, der das sechszehnte Jahr zurückgelegt hat, kann zu Milizdiensten angehalten werden.
53. Keiner kann an zwei Orten sein politisches Bürgerrecht ausüben, also auch nur an einem Orte als Wahlmann, und nur von einem Kreise als Großrath ernannt werden.
Wenn Jemand Bürger verschiedener Gemeinden ist, und in einer derselben wohnt; so übt er sein Recht in dem Orte aus, wo er seinen Wohnsitz hat. Wohnt er aber nicht in einem der Orte, wo er das Bürgerrecht hat; so muß er sich erklären, an welchen derselben er sein politisches Recht ausüben wolle.
Diese Erklärung ist gültig für zehn Jahre, wenn er nicht früher den Wohnsitz in einer seiner Heimathsgemeinden nimmt.
54. Behörden, Corporationen und einzelne Privaten haben das Recht, Bittschriften und Vorstellungen an die oberste Landesbehörde zu richten. Die Art und Weise, wie dasselbe ausgeübt werden kann, wird durch das Gesetz bestimmt.
55. Die Verfassung sichert die Freiheit der Presse und der Meinungsäußerung. Ein Gesetz wird die Strafen gegen den Mißbrauch dieses REchts festsetzen.
56. Ein besonderes Gesetz wird bestimmen, wie es soll gehalten werden, wenn ein Wahlkreis oder Collegium die ihm zukommenden Wahlen nicht vornehmen würde.
57. Nach Verlauf von zehn Jahren kann, mit Ausnahme des § 1 und § 48, eine Revision der Staatsverfassung statt finden, wenn dieselbe vom großen Rathe nothwendig erachtet wird, sey es auf den Antrag eines Mitglieds des großen Raths oder durch Bittschriften.
Die Nothwendigkeit einer Revision muß durch absolute Stimmenmehrheit der Gesammtheit des großen Raths ausgesprochen werden.
Wird im zehnten Jahre kein Antrag zur Revision gemacht; so kann dieses nachher zu jeder Zeit geschehen, bis eine angetragene Abänderung angenommen oder verworfen wird; alsdann müssen neuerdings zehn Jahre zugewartet werden.
Abschnitt 6
Einführung der Verfassung.
58. Sobald gegenwärtige Verfassung, nach der noch festzusetzenden Weise, die Genehmigung des Volkes erhalten haben wird, sollen vom kleinen Rathe sogleich die Kreis- und Collegienwahlen angeordnet werden.
59. Nachdem die Wahlen vor sich gegangen, und die daherigen Verbalprozesse dem kleinen Rathe eingesendet, und von dem jetzigen großen Rathe richtig befunden worden, beruft derselbe die Gewählten ein, und erklärt, daß er seine Gewalt in die Hände des neuen großen Rathes niederlege, sobald letzterer sich als verfassungsmäßiger großer Rath erklärt, und von dieser Erklärung dem Schultheißen die Anzeige gemacht haben wird.
60. Darauf schreitet er zur Ernennung der noch mangelnden 13 Mitglieder des großen Raths.
Ist der große Rath auf diese Art vervollständiget; so erwählt er die Mitglieder des kleinen Raths und dessen Präsidenten, und dann die Mitglieder des Appellationsgerichts und dessen Präsidenten, die Wahlbehörde und die Zuzüger in das Appellationsgericht. Nach vollendeter Wahl der Mitglieder jeder dieser Behörden erklärt er die bis anhin bestandenen für aufgelöset und macht dem Schultheißen und dem Präsidenten davon die schriftliche Anzeige.
Die Mitglieder der übrigen Behörden, die Beamteten und die Bediensteten bleiben in ihren bisheirgen Verrichtungen, bis sie von der neuen competenten Behörde abberufen werden.
61. Einstweilen und bis zu der noch durch die Gesetze zu bestimmenden Zeit wird die Justiz in allen Zweigen durch die bisherigen Behörden und nach den jetzt geltenden Formen besorgt.
Die §§ 37, 54 und 55 der Verfassung tritt erst nach den dalsebst vorgesehenen Gesetzen in Wirksamkeit.
62. Die Suppleanten der Tribunalien werden, bis zu Erscheinung eines andern Gesetzes, durch die Gerichte dem kleinen Rathe vorgeschlagen und vom großen Rathe genehmiget.
63. Gegenwärtige Verfassung, die den eidsgenössischen Bundesverträgen untergeordnet bleibt, soll von unserm Amtsschultheiß und Staatsschreiber unterzeichnet, mit dem Staatssiegel versehen und, laut § 15 des Bundesvertrags, in das eidgenössische und Cantonsarchiv niedergelegt werden.
Gegeben in unserer großen Rathsversammlung, den 29. December 1830.
Der Amtsschultheiß,
Peter Glutz-Ruchti..
Der Staatsschreiber,
Friedrich von Roll.
Wir Schultheiß, kleiner und großer Rath beurkunden hiermit: daß die gegenwärtige neue Staatsverfassung der Republik Solothurn am 13. Jenner dieses Jahrs von sämmtlichen, auf 11,830 berechneten stimmfähigen Bürgern des Cantons mit der großen Mehrheit von 11,091 gegen 613, die zur Verwerfung, und 126, die weder dafür noch dawider gestimmt haben, genehmigt worden sey.
Gegeben vor großen Rath den 18. Jenner 1831.
Der Amtsschultheiß,
Peter Glutz-Ruchti..
Der Staatsschreiber,
Friedrich von Roll.
Der Kanton Solothurn gab sich mit der vorstehenden
Verfassung eine liberale, aber noch streng repräsentative ohne Zensuswahlrecht;
erst mit der Verfassung von 1840 wurden die direkten Volkswahlen eingeführt.