Ewiger Bund der drei Waldstätte
 

von Anfang August 1291.

(Übersetzung aus dem lateinischen Original)

Im Namen Gottes, amen. Es ist ein ehrbar Werk und dient dem öffentlichen Wohl, wenn Verträge, die der Ruhe und dem Frieden dienen, in richtiger Form gesichert werden.

(1) Daher vernehme jedermann, daß die Männer des Tales Uri, die Gemeinde des Tales Schwyz und die Gesamtheit der Leute von Unterwalden in Nidwalden in Anbetracht der Arglist der Zeit und um sich und ihre Habe leichter verteidigen und im richtigen Stande besser erhalten zu können, in guten Treuen sich versprochen haben, sich gegenseitig mit Hülfe, jeglichem Rat und Förderung, mit Leib und Gut beizustehen, innerhalb der Täler und außerhalb, mit aller Macht und Kraft, gegen eine Gesamtheit oder gegen Einzelne, die ihnen oder einem von ihnen Gewalt antun, sie belästigen oder ihnen Unrecht zufügen und gegen ihr Leib und Gut Böses im Schilde führen sollten. Und es hat jede Gemeinde versprochen, der andern in jedem Falle zu Hülfe zu eilen, sofern Hülfe notwendig sein sollte, und zwar in eigenen Kosten und in dem Umfange, als es notwendig sein sollte, um dem Angriff Böswilliger zu widerstehen und geschehenes Unrecht zu rächen.

(2) Sie haben zudem einen leiblichen Eid geschworen, diese Vereinbarung ohne Hintergedanken zu halten und dabei den Inhalt eines frühern, eidlich bekräftigten Bündnisses durch die gegenwärtige Abmachung erneuert,

(3) jedoch in der Meinung, daß ein jeder gemäß seinem Stande seinem Herrn nach Gebühr untertan sein und ihm dienen solle.

(4) Mit gemeinsamem Rate und einhelliger Zustimmung haben wir uns zugesagt, beschlossen und festgesetzt, daß wir in den vorgenannten Tälern keinen als Richter je annehmen noch entgegennehmen wollen, der sein Amt durch irgend eine Dienstleistung oder durch Bezahlung einer Geldsumme in irgend einer Weise erworben haben oder der nicht unser Landsmann sein sollte.

(5) Wenn jedoch unter einzelnen Eidgenossen Zwietracht entstehen sollte, so sollen die Einsichtigsten der Eidgenossen den Streit zwischen den Parteien in der ihnen gut scheinenden Weise schlichten, und wenn eine der Parteien diese Beilegung des Streites zurückweisen sollte, so sollen die übrigen Eidgenossen gegen sie Partei nehmen.

(6) Überdies besteht zwischen ihnen eine Übereinkunft folgenden Inhaltes: Wer einen andern hinterlistig und unschuldig umbringt, soll, wenn er ergriffen wird, sein Leben verlieren, falls es ihm nicht gelingt, seine Unschuld am genannten Verbrechen nachzuweisen, so wie es seine schwere Schuld verlangt. Und falls er etwa entweichen sollte, so darf er nie mehr zurückkehren. Wer den vorgenannten Verbrecher aufnimmt und beschützt, soll so lange aus den Tälern verbannt sein, bis er von den Bundesgenossen ausdrücklich zurückgerufen wird.

(7) Wer einen von den Eidgenossen am Tage oder in der Stille der Nacht in heimtückischer Weise durch Brandstiftung schädigt, der soll nimmermehr als Landsmann gelten. Und wenn ihn jemand innerhalb der Täler begünstigt und beschützt, so soll dieser dem Geschädigten den Schaden wieder gut machen.

(8) Sollte ferner einer der Bundesgenossen einen andern seiner Habe berauben oder ihm in irgend einer Weise Schaden zufügen, so soll seine Habe, falls sie innerhalb der Täler erfaßt werden kann, beschlagnahmt werden, um dem Geschädigten, wie es das Recht erfordert, Wiedergutmachung zu verschaffen.

(9) Im weitem soll keiner den andern pfänden, es sei denn, daß dieser offenkundig sein Schuldner oder Bürge sei. Und das darf überdies nur mit der Erlaubnis des zuständigen Richters geschehen.

(10) Außerdem soll jeder seinem Richter gehorchen und, falls es notwendig sein sollte, innerhalb [des Tales] denjenigen Richter bezeichnen, vor welchem er Recht zu nehmen hat. Und wenn sich einer gegen einen Richterspruch auflehnt und wegen seiner Hartnäckigkeit einer unter den Eidgenossen zu Schaden kommen sollte, so haben sämtliche Verbündete den betreffenden Fehlbaren zur Leistung von Schadenersatz anzuhalten.

(11) Sollte jedoch Fehde und Zwietracht unter einzelnen der Eidgenossen entstehen und die eine der streitenden Parteien sich weigern, sich dem Rechte zu fügen und Genugtuung zu leisten, so sind die Verbündeten verpflichtet, der andern Partei beizustehen.

(12) Die obenstehenden, in heilsamer Absicht zum gemeinen Nutzen aufgestellten Abmachungen sollen, so Gott will, ewig dauern.

Zum Beweis dessen ist die vorliegende Urkunde auf Verlangen der eingangs Genannten aufgesetzt und durch Anhängen der Siegel der oben genannten drei Gemeinden und Täler bekräftigt worden.

    Geschehen im Jahre des Herrn 1291, im Anfange des Monats August.

 

Der erste Bundesvertrag von Anfang August 1291 hat den Bund zwischen den, schon im 12. Jahrhundert (1240 von Kaiser Friedrich II. bestätigten) reichsunmittelbaren Kantonen Schwyz, Uri und Unterwalden (schon damals geteilt) erneuert, nicht neu geschaffen; es ist jedoch das wohl erste schriftlich fixierte Dokument über den Bund. Der Vertrag hatte zum Ziel, die Freiheiten der drei Kantone gegen den Schirmvogt (seit 1209 die Grafen von Habsburg) zu wahren. Nachdem die von den Schirmvögten eingesetzten Landvögten (Hermann Geßler von Brunegg für Uri und Schwyz, Behringer von Landenberg für Unterwalden) jedoch mit Tyrannei immer größeren Druck auf die Länder und deren Bewohner ausübten, die Oberhoheit der Grafen von Habsburg (zu dieser Zeit waren diese Römische Kaiser) anzuerkennen, kam es in der Nacht zum Mittwoch vor Martini 1307 (8.11.1307) durch je 11 Personen aus den drei Ländern an einem Ort am See ("Rütli") zu einer Verabredung ("Rütlischwur"), gegen die Tyrannei der Landvögte aufzubegehren. Der Beginn der Revolte sollte die Neujahrsnacht 1308 sein. Die Revolte war bekanntlich erfolgreich und so wurde am 7. Januar 1308 der Bund zwischen den drei Ländern erneut auf zehn Jahre beschworen, aber am 9. Januar 1315 auf ewig beschworen ("Ewiger Bund der drei Waldstätte") und vertieft, nachdem Kaiser Heinrich VII. (aus dem Hause Luxemburg) die Freiheiten der Waldstätte 1309 nochmals bestätigt hatte. Der Bund wurde immer wieder erneuert; so am 10. Juli 1393 im Sempacherbrief, am 22. Dezember 1481 im Stanser Verkommnis und den Zweiten Landfrieden zwischen den fünf katholischen Orten und Zürich vom 20. November 1531.

Am 14. Oktober 1648 erhielt die Eidgenossenschaft die volle Unabhängigkeit vom Heiligen Römischen Reich durch den Frieden von Osnabrück, weiter wurde der Bund erneuert am 18. März 1668 im Eidgenössischen Defensionale (die schweizerische Kriegsverfassung), am 18. Juli, 9. August und 11. August 1712 durch den Landfrieden zwischen Zürich und Bern und den 5 katholischen Orten Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug und zuletzt am 7. August 1815 durch den Bundesvertrag zwischen den XXII Kantonen der Schweiz.

Die Erweiterung des Ewigen Bundes, der Eidgenossenschaft, begann mit dem Ewigen Bund der Stadt Luzern mit den drei Waldstätten vom 7. November 1332, es folgte der Ewige Bund der Stadt Zürich mit den vier Waldstätten vom 1. Mai 1351, der Ewige Bund von Glarus mit der Stadt Zürich und den drei Waldstätten vom 4. Juni 1352, der Ewige Bund von Stadt und Amt Zug mit der Stadt Zürich und den vier Waldstätten vom 27. Juni 1352, der Ewige Bund der Stadt Bern mit den drei Waldstätten vom 6. März 1353, das Ewige Burg- und Landrecht des Landes Appenzell mit Zürich, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus vom 24. November 1411, das Ewige Burg- und Landrecht des Zehntens Goms (Ernen und Münster) mit Luzern, Uri und Unterwalden vom 15. Dezember 1416, das Ewige Burg- und Landrecht des Zehntens Naters und Brig mit Luzern, Uri und Unterwalden vom 8. August 1417, das Ewige Burg- und Landrecht des Zehntens Visp mit Luzern, Uri und Unterwalden vom 11. August 1417, das Ewige Burg- und Landrecht der Stadt Sitten und der Landleute zu Gradetsch und zu Siders mit Luzern, Uri und Unterwalden vom 12. Oktober 1417, das Ewige Burgrecht des Abtes von St. Gallen mit Zürich, Luzern, Schwyz und Glarus vom 17. August 1451, der Bund von Zürich, Bern, Luzern, Schwyz, Zug und Glarus mit der Stadt Schaffhausen auf 25 Jahre vom 1. Juni 1454, der Ewige Bund von Zürich, Bern, Luzern, Schwyz, Zug und Glarus mit der Stadt St. Gallen vom 13. Juni 1454, der Ewige Bund von Freiburg und Solothurn mit den acht Orten der Eidgenossenschaft vom 22. Dezember 1481, der Ewige Bund der sieben Orte mit dem Grauen Bund vom 21. Juni 1497, der Ewige Bund der sieben Orte mit der Stadt Chur und den Gotteshausleuten des Stiftes Chur vom 13. Dezember 1498, der Ewige Bund der Stadt Basel mit den Eidgenossen vom 9. Juni 1501, der Ewige Bund der Stadt Schaffhausen mit den Eidgenossen vom 10. August 1501, der Ewige Bund der Appenzeller mit den 12 eidgenössischen Orten vom 17. Dezember 1513, der Ewige Bund der 13 Orte mit der Stadt Mühlhausen vom 19. Januar 1515, der Ewige Bund der 13 Orte mit der Stadt Rottweil vom 6. April 1519 sowie der Ewige Bund der Städte Zürich und Bern mit der Stadt Genf vom 30. August 1584.

Ausdruck des gemeinsamen Willens des frühen Bundes war die Tagsatzung, welcher die Gesandten der einzelnen Kantone angehörten. Sie war im 14. Jahrhundert eingerichtet worden und hat, mit Ausnahme der Jahre 1798 bis 1803 (Verfassung der Helvetischen Republik), bis 1848 bestanden. Ihre letzte Amtshandlung war im Übergangsartikel 2 und 3 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 12. September 1848 festgelegt.

Die Schweiz ist heute das einzige Land Europas, in dem mehrere Nationen friedlich und ohne den Wunsch nach Sezession miteinander in einem Lande leben.


Quellen: Nabholz/Kläui, Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Kantone, Verlag H.R.Sauerländer & Co., Aarau, 1940
© 13. Januar  2002 - 12. Mai 2005


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