Übereinkunft
der alten Kantone der Schweizerischen Eidgenossenschaft

vom 29. Dezember 1813

Die in Zürich versammelten Gesandten der alt-eidsgenössischen Stände Uri, Schwyz, Lucern, Zürich, Glarus, Zug, Freiburg, Basel, Schafhausen und Appenzell beider Rhoden haben bei reifer Berathung über die dermalige bedenkliche Lage des gemeinsamen Vaterlandes, sich einmüthig überzeugt, daß von Außen her und nach den im Innern der Schweiz vorgefallenen Ereignissen, die gegenwärtige Bundesverfassung, so wie sie in der Mediationsacte enthalten ist, keinen weiteren Bestand haben könne; daß aber die Wohlfahrt des Vaterlandes hohe Nothwendigkeit sey, den alten eidsgenössischen Verband nicht nur beizubehalten, sondern neu zu befestigen; zu welchem Ende ihren sämmtlichen Committenten folgende Übereinkunft zu möglichst schleuniger Ratification vorgeschlagen wird:

1. Die beitretenden Cantone sichern sich im Geiste der alten Bünde und der seit Jahrhunderten unter den Eidsgenossen bestandenen glücklichen Verhältnisse brüderlichen Rath, Unterstützung und treue Hülfe neuerdings zu.

2. Sowohl die übrigen alt-eidsgenössischen Stände, als auch diejenigen, welche bereits seit einer langen Reihe von Jahren Bundesglieder gewesen sind, werden zu diesem erneuerten Verbande förmlich eingeladen.

3. Zu Beibehaltung der Eintracht und Ruhe im Vaterlande vereinigen sich die beitretenden Cantone zu dem Grundsatze, daß keine mit den Rechten eines freien Volkes unverträglichen Unterthanen-Verhältnisse hergestellt werden sollen.

4. Bis die Verhältnisse der Stände unter sich und die Leitung der allgemeinen Bundesangelegenheiten näher und fester bestimmt sind, ist der alt-eidgenössische Vorort Zürich ersucht, diese Leitung zu besorgen.

5. Im Gefühl der Dringlichkeit, auf die Erklärungen der hohen alliirten Mächte vom 20. Dezember dieses Jahres, welche auf die Stellung der Schweiz bis zu einem allgemeinen Frieden Bezug haben, eine angemessene Antwort zu ertheilen, sind die bestimmenden Stände bereit, hierüber in Unterhandlichen zu treten.

    Actum in Zürich, den 29. December 1813

Gemeineidsgenössische Canzlei

 

Die altschweizer Kantone, die so schnell als möglich stabile Verhältnisse herstellen wollten, sahen sich denjenigen altschweizer Kantonen, insbesondere Bern, gegenüber, die seit 1798 erhebliche Gebietsverluste hinnehmen mussten. In Bern waren erst wenige Tage vor der Unterzeichnung der Übereinkunft durch Putsch die alten Oligarchen und Patrizier an die Macht gekommen und hatten das Land außerhalb der Stadtgrenzen zu einem Untertanengebiet (wie vor 1798) gemacht und auch die Kantone Waadt und Aargau aufgefordert, die Oberhoheit der Stadt und Republik Bern wieder anzuerkennen. Auch Uri hatte mit dem neuen Kanton Tessin einen Gebietsstreit um das bis 1798 zum Kanton Uri gehörende italienischsprachige Livinental. der Kanton Schwyz verlangte vom neuen Kanton St. Gallen einige der, dem neuen Kanton zugeschlagenen vormaligen gemeinen Herrschaften zurück und Graubünden verlangte die Rückgliederung der ihr bis 1798 gehörenden Herrschaften im Veltlin. Die Situation wäre ohne die österreichischen Truppen in der Schweiz ohne Zweifel in einen Bürgerkrieg gemündet.

Durch den schnellen Beitritt St. Gallens, des Aargau, des Waadt und von Thurgau zu dem oben genannten Übereinkommen noch im Dezember 1813 haben diese versucht, ihren Bestand zu sichern, doch haben die konservativen altschweizer Kantone, die eine Restauration der Eidgenossenschaft von 1797 verlangten, das waren insbesondere Bern, Lucern (hier fand m Febr. 1814 ein konservativer Umsturz statt), Unterwalden und Solothurn, sich im März 1814 zu einem gesonderten Treffen in Luzern vereinigt. Die Alliierten griffen im August 1814 erstmals offiziell in die festgefahrenen Verhandlungen zwischen den 19 Kantonen ein und verlangten ultimativ eine Einigung auf einen neuen Bundesvertrag, da sie sonst ihre Beziehungen zur Tagsatzung und damit zu den Kantonen abbrechen würden. Die Einigung auf einen provisorischen neuen Bundesvertrag kam am 9. September 1814 auf der Tagsatzung zustande, obwohl die Schwyz, Nidwalden und Appenzell Innerrhoden die Genehmigung hierzu verweigerten.

Am 12. September 1814 spricht sich die eidgenössische Tagsatzung für die Aufnahme des Wallis, von Neuenburg und von Genf in die Eidgenossenschaft aus und tritt dem Begehren Graubündens auf Wiedereingliederung des Veltlins in den Kanton bei.

Am 3. November 1814 beginnen in Wien die allgemeinen Friedensverhandlungen und für die schweizerischen Angelegenheiten wird ein gesonderter Ausschuss gebildet, der zu der Erklärung des Wiener Kongresses vom 20. März 1815 führt, dem die Eidgenossenschaft am 27. Mai 1815 formal durch Beschluss der Tagsatzung beitritt. Danach werden die Gebietsbestände der 19 Kantone nach der Mediationsakte von 1803 anerkannt; allein Bern und Basel erhalten einen Zuwachs durch die Aufteilung des Gebietes des Bistums Basel, das bis 1792 Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, aber auch Zugewandter Ort der Eidgenossenschaft war. Das Veltlin kam mit dem Königreich Lombardo-Venetien zu Österreich, nachdem sich die Eidgenossenschaft geweigert hatte, dieses als eigenständigen Kanton aufzunehmen.

Am 7. August 1815 wird der Bundesvertrag beschworen; der Halbkanton Nidwalden musste jedoch militärisch zur Anerkennung des Bundesvertrags gezwungen werden.


Quellen: K.H.L. Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789, Brockhaus Leipzig 1833
© 14. Mai 2005


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