Verfassungsdekret der Republik und des Kantons Tessin
über die Abänderung der Gerichtsorganisation und des Verfahrens in Strafsachen

vom 8. November 1894

aufgehoben durch
Dekret vom 21. Januar 1910

 

Einziger Art. Zur Verwaltung der Strafgerichtsbarkeit werden eingesetzt:
a. ein aus drei dem Appellationsgericht entnommene Mitgliedern bestehende Rekurskammer;
b. die Bezirksschwurgerichte, bestehend aus dem Bezirksgericht und fünf Geschwornen als Beisitzern;
c. das Kantonsschwurgericht, bestehend aus drei dem Appellationsgericht entnommenen Richtern und neun Geschwornen als Beisitzern;
d. ein Kassationshof, bestehend aus dem Präsidenten des Appellationsgerichts und vier Mitgliedern, nebst vier Ersatzmännern.

§ 1. Die Geschwornen werden vom Volke direkt gewählt nach dem für die Großratswahlen geltenden proportionalen Wahlsystem.

§ 2. Das Gesetz bestimmt das nähere über die Befugnisse, die Wahl und die Amtsdauer der genannten Behörden.

§ 3. Das Amt eines Mitglieds oder Ersatzmannes des Kassationshofes ist mit der Ausübung des Advokatenberufes unvereinbar.

§ 4. Die Beurteilung der Polizeiübertretungen kann durch das Gesetz einer andern Behörde übertragen werden.

Übergangs- und Aufhebungsbestimmungen.

Art. 1 Die Volksabstimmung über die vorliegende teilweise Verfassungsänderung  findet Sonntag den 30. Dezember 1894 statt.

Binnen 8 Tagen verkündet der Staatsrat in öffentlicher Sitzung das Ergebnis der Volksabstimmung; wenn sie bejahend ausgefallen ist, hat er für dieselbe sofort die eidgenössische Gewährleistung einzuholen.

Art. 2 Im Falle der Annahme der Verfassungsänderung erläßt der Große Rath beförderlich die Ausführungsgesetze und nimmt die ihm zustehenden Wahlen vor.

Art. 3 Diese Verfassungsänderung tritt mit dem 1. Januar 1896 in Kraft; von diesem Zeitpunkte an sind aufgehoben:
a. die Worte "und Kriminal" in Absatz 1 des Art. 18 und die Worte "und Straf" in Abs. 1 des Art. 20 der neuen Verfassungsbestimmungen vom 2. Juli 1892;
b. Abs. 3 des Art. 2 und der § des Art. 21 der nämlichen Verfassungsbestimmungen;
c. jede andere entgegenstehende oder unvereinbare Bestimmung.

    Bellenz, den 8. November 1894.

Für den Großen Rat:
Der Präsident:
Avv. P. Perucchi.

Die Abgeordneten und Sekretäre:
Avv. C. Ciseri.
Ing. E. Andreazzi.


Quellen: Schweizerisches Bundesblatt 1895, S. 817
© 26. Juni 2005 - 2. Juli 2005
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