Urkunde, betreffend die Aufnahme des  Staates Neuenburg als Kanton in den eidgenössischen Bund

vom 19. Mai 1815.

Wir die Gesandten der Kantone der Schweiz auf der eidgenössischen Tagsatzung in unserer Bundesstadt Zürich außerordentlich versammelt, thun kund und zu wissen, hiemit:

Daß, nachdem der zwischen der eidgenössischen Tagsazung und dem Staatsrath von Neuenburg wegen endlicher Vereinigung dieses Staats mit der Schweiz und dessen förmlicher Aufnahme in den eidgenössischen Bund errichtete Vertrag, welcher von Wort zu Wort also lautet:

Vereinigungsurkunde.

Da die Tagsazung der schweizerischen Eidgenossenschaft bereits unterm 12. Herbstmonat 1814 beschlossen hat, in das Begehren des souveränen Staates Neuenburg einzuwilligen und dieselbe als Kanton in den Schweizerbund aufzunehmen, und für nothwendig erachtet, diese endliche Vereinigung nicht länger aufzuschieben, welche für beide Theile gleich vortheilhaft und geeignet ist, die seit Jahrhunderten gegenseitig bestandenen freundschaftlichen Verhältnisse durch eine völlige Gemeinschaft der Schiksale und Interessen immer mehr zu befestigen;

So hat die diplomatische Commission, im Namen und aus Auftrag der Tagsazung, die Hochgeachteten Herren:
    Niklaus Friedrich von Mülinen, Schultheiß der Stadt und Republik Bern und Gesandter dieses Standes auf der gemeineidgenössischen Tagsazung, - und
    Vincenz von Rüttimann, Schultheiß der Stadt und Republik Lucern und Gesandter dieses Standes auf der gemeineidgenössischen Tagsazung, - bezeichnet,

und der souveräne Stand Neuenburg die Hochgeachteten Herren:
    von Sandoz-Rollin, Staatsrath und Gesandter dieses Standes auf der gemeineidgenössischen Tagsatzung,

welche hierauf denjenigen Vereinigungsact abgeschlossen und unterzeichnet haben, dessen Inhalt hier folgt:

Art. 1. Der souveräne Staat Neuenburg wird als Kanton in die schweizerische Eidgenossenschaft aufgenommen. Diese Aufnahme findet unter der ausdrüklichen Bedingung statt, daß die Erfüllung aller Verpflichtungen, welche dem Staat Neuenburg als Glied der Eidgenossenschaft obliegen, die Theilnahme dieses Standes an der Berathung der allgemeinen Angelegenheiten der Schweiz, die Ratification und Vollziehung der Beschlüsse der Tagsatzung ausschließlich die in Neuenburg residirende Regierung betreffen werden, ohne daß dafür eine weitere Sanction oder Genehmigung erforderlich sei.

Art 2. Der Kanton Neuenburg  tritt allen Bestimmungen des Bundesvertrags bei, den er gleich den übrigen Ständen der Schweiz zu beschwören hat.

Art. 3. Er liefert sein Contingent zur eidgenössischen Armee in dem für alle übrigen Stände angenommenen Verhältniß von zwei Mann auf hundert Seelen der ganzen Bevölkerung, nach welchem Maßstab auf 50,000 Seelen das Contingent tausend Mann betragen soll.

Art. 4. Sein Geldcontingent, nach dem gleichen Verhältniß wie jenes der Stände Basel und Genf berechnet, ist auf fünfundzwanzigtausend Schweizerfranken festgesezt. Durch diese Bestimmung und durch jene im vorhergehenden Artikel soll indeß der durch den 3. Artikel des Bundesvertrags vorbehaltenen Revision der Beiträge an Mannschaft und Geld nicht vorgegriffen sein.

Art. 5. Der Staat Neuenburg ist der einundzwanzigste Kanton de rSchweiz. Er nimmt seinen Rang in der Tagsazung unmittelbar nach der Republik Wallis.

Art. 6. Durch die Ratification des gegenwärtigen Acts soll die Vereinigung vollendet und definitiv auf ewige Zeiten abgeschlossen sein.

    Also geschehen und unterzeichnet in Zürich den 19. Mai 1815

Nikolaus Friedrich von Mülinen,
Schultheiß der Stadt und Republik Bern und Gesandter an der eidgenössischen Tagsazung.

Vinzenz Rüttimann, Schultheiß der Stadt und Republik Lucern und Gesandter auf der eidgenössischen Tagsazung.

Henri Alphonse de Sandoz-Rollin, Conseiller d'Etat de Neuchâtel et Député à la Diète.

Die Genehmigung beider contrahirenden Theile, nämlich auf der einen Seite diejenige der hohen Regierungen und souveränen Behörden der XIX. Stände der Schweiz, also Zürich, Bern, Lucern, Uri, Schwyz, Unterwalden ob dem Wald, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen, Appenzell Außer-Rhoden, St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin und Waadt, laut ihren im Protokoll der eidgenössischen Tagsazung enthaltenen Erklärungen, - und auf der andern diejenige des Hochlöblichen Staatsraths von Neuenburg, nach deren amtlicher Anzeige vom 10. April 1815, erhalten hat, - Wir zum Beweis, daß gedachter Vereinigungsact unbedingt ratificirt worden sei, daß er gewissenhaft erfüllt und aufrecht erhalten werden, und die dadurch erzielte Aufnahme des schweizerischen Kantons Neuenburg in den eidgenössischen Bund auf einer festen unabänderlichen Grundlage auf ewige Zeiten beruhen solle, gegenwärtige Urkunde in duplo haben ausfertigen und mit den Unterschriften unsers Präsidenten und des eidgenössischen Kanzlers, sowie auch mit dem bisherigen schweizerischen Staatssiegel versehen lassen, in Zürich den neunzehnten Mai, im Jahr ein Tausend acht Hundert und fünfzehn (19. Mai 1815).

Im Namen der Eidgenössischen Tagsatzung:
Der Burgermeister des Kantons Zürich;
Präsident derselben,
David von Wyß.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft,
Mousson.

 


Quellen: Repertorium der Abschiede der eidgenössischen Tagsazungen aus den Jahren 1814 bis 1848, 2. Band, Bern 1876, S. 847
© 29. Mai 2005


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