Verfassungsgesetz
betreffend
die Einführung des fakultativen Referendums in Gemeindeangelegenheiten

Beschluß des Großen Rathes vom 12. Januar 1895,
bestätigt durch Volksabstimmung vom 3. Februar 1895.

geändert durch
Verfassungsgesetz vom 22. März 1930, bestätigt durch Volksabstimmung vom 17. und 18. Mai 1930;
Verfassungsgesetz vom 10. September 1949, bestätigt durch Volksabstimmung vom 10. und 11. Dezember 1949
(Änderung des Art. 4).

aufgehoben durch
Verfassungsgesetz vom 7. Oktober 1958, bestätigt durch die Volksabstimmung vom 6. und 7. Dezember 1958.

Der Staatsrat der Republik und des Kantons Genf beurkundet, daß der Große Rat in seiner Sitzung vom 12. Januar 1895 folgenden Entwurf eines Verfassungsgesetzes angenommen hat:

Der Große Rat,

auf den Antrag eines seiner Mitglieder,

beschließt als Vorlage zur Volksabstimmung was folgt:

Referendum.

Art. 1. Die Beschlüsse der Gemeinderäte sind der Genehmigung der in der Gemeinde Stimmberechtigten zu unterstellen, falls eine Abstimmung verlangt wird:
    In der Stadt Genf von 1200 stimmfähigen Einwohnern binnen 30 Tagen, vom Datum des Beschlusses an gerechnet;
    in den drei Außengemeinden der Stadt, sowie in Carouge von einem Fünftel,
    in den übrigen Gemeinden von einem Drittel der stimmfähigen Einwohner,
und zwar in allen diesen Gemeinden binnen 15 Tagen nach dem Datum des Beschlusses.

Durch Verfassungsgesetz vom 22. März 1930 erhielt der Art. 1 folgende Fassung:
"Art. 1. Die Beschlüsse der Gemeinderäte sind der Genehmigung der m der Gemeinde Stimmberechtigten zu unterstellen, falls eine Abstimmung verlangt wird: in der Stadt Genf von 2000 stimmfähigen Einwohnern binnen 30 Tagen vom Datum des Beschlusses an gerechnet, in Carouge von einem Fünftel und in den übrigen Gemeinden von einem Drittel der stimmfähigen Einwohner, und zwar in allen diesen Gemeinden binnen 15 Tagen nach dem Datum des Beschlusses."

Art. 2. Gegen den Gemeindevoranschlag in seiner Gesamtheit kann kein Referendumsbegehren gestellt werden.

Nur solche Budgetbestimmungen, durch die eine neue Einnahme oder Ausgabe eingeführt oder die Höhe der Einnahmen beziehungsweise Ausgaben des vorangehenden Rechnungsjahres abgeändert wird, können dem Referendum unterstellt werden.

Art. 3. Gegen Beschlüsse von ausnahmsweise dringlicher Natur ist kein Referendumsbegehren zulässig. Der Entscheid über die Dringlichkeit liegt in der Kompetenz des Gemeinderates, unter Vorbehalt der Genehmigung des Staatsrates.

Art. 4. Ist die erforderliche Zahl der Unterschriften erreicht, so unterbreitet der Staatsrat den Beschluß binnen längstens zwanzig Tagen der Volksabstimmung, wobei die absolute Mehrheit der Stimmenden über Annahme oder Verwerfung entscheidet.

Durch Verfassungsgesetz vom 10. September 1949 erhielt der Art. 4 folgende Fassung:
"Art. 4. Wenn die gesetzlich vorgeschriebene Zahl der Unterschriften erreicht ist, unterbreitet der Staatsrat den Beschluss der Volksabstimmung.
Der Beschluss ist angenommen, wenn die absolute Mehrheit zugestimmt hat."

Art. 5. Der Staatsrat genehmigt Gemeinderatsbeschlüsse erst nach Ablauf der Referendumsfrist; gesetzwidrige Beschlüsse jedoch werden von ihm ohne weiteres aufgehoben.

Allgemeine Bestimmung.

Art. 6. Ein Organisationsgesetz wird alle für die Vollziehung der vorstehenden Verfassungsbestimmungen nötigen Verfügungen treffen.

    Gegeben zu Genf am 12. Januar 1895 und versehen mit dem Siegel der Republik und mit den Unterschriften des Präsidenten und Sekretärs des Großen Rates.

Der Präsident des Großen Rathes:
Dr. A. Vincent

Der Sekretär des Großen Raths:
Alex. Triquet

    Also angenommen im Generalrat am 3. Februar 1895.

Der Staatskanzler:
J. Leclerc.

 


Quellen: Bundeskanzlei, Bundesverfassung und Staatsverfassungen der Kantone, Bern 1910, 1937, 1948
Schweizerisches Bundesblatt

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