Verfassungsgesetz
betreffend
die Einführung gewerblicher Schiedsgerichte

Beschluß des Großen Rathes vom 4. Oktober 1882,
bestätigt durch Volksabstimmung vom 29. Oktober 1882.

geändert durch
Verfassungsgesetz vom 24. Oktober 1888, bestätigt durch Volksabstimmung vom 25. November 1888,
Verfassungsgesetz vom 26. Januar 1910, bestätigt durch Volksabstimmung vom 27. Februar 1910,
Verfassungsgesetz vom 20. Juni 1914, bestätigt durch Volksabstimmung vom 25. und 16. Juli 1914,
Verfassungsgesetz vom 22. März 1930, bestätigt durch Volksabstimmung vom 17. und 18. Mai 1930,
Verfassungsgesetz vom 17. März 1956, bestätigt durch Volksabstimmung vom 12. und 13. Mai 1956 (Änderung des Art. 1).

aufgehoben durch
Verfassungsgesetz vom 7. Oktober 1958, bestätigt durch Volksabstimmung vom 6. und 7. Dezember 1958.

Der Staatsrat der Republik und des Kantons Genf, macht nachfolgenden, vom Großen Rath in seiner Sitzung vom 4. Oktober 1882 gemachten Beschluß über ein Verfassungsgesetz bekannt:

Der Große Rath,

auf den Antrag eines seiner Mitglieder,

verordnet
unter dem Vorbehalt der Volksentscheidung
was folgt:

Art. 1. Streitigkeiten, welche auf dem Gebiete des Handels und der Industrie zwischen Arbeitgebern, Fabrikanten oder Handelsleuten und ihren Arbeitern, Angestellten oder Lehrlingen m Betreff des Dienstverhältnisses entstehen, unterliegen der Beurtheilung von gewerblichen Schiedsgerichten (tribunaux de prud'hommes).

Durch Verfassungsgesetz vom 24. Oktober 1888 erhielt der Art. 1 folgende Fassung:
"Art. 1. Streitigkeiten, welche zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, Prinzipalen und Angestellten, Prinzipalen und Lehrlingen, Dienstherren und Dienstboten entstehen, unterliegen, soweit sie das Dienstverhältniß, die Ausführung der Arbeit und den Lehrvertrag betreffen., der Beurtheilung von Schiedsgerichten."

Durch Verfassungsgesetz vom 17. März 1956 wurde dem Art. 1 folgender Absatz angefügt:
"Schadenersatzklagen aus Unfällen gegen Arbeitgeber fallen nicht in die Zuständigkeit der Schiedsgerichte."

Art. 2. Die Mitglieder der gewerblichen Schiedsgerichte (les prud'hommes) werden von den Arbeitgebern, sowie von den Arbeitern und Angestellten in Separat-Versammlungen und in Gruppen, die aus verwandten Industriezweigen und Berufsarten bestehen, gewählt.

Art. 3. In jeder Gruppe wählen die Arbeitgeber, die Arbeiter und Angestellten je gleich viele Mitglieder.

Art. 4. Stimmberechtigt und wählbar sind die schweizerischen Arbeitgeber, Arbeiter und Angestellten, sofern sie im Besitze der politischen Rechte sich befinden.

Durch Verfassungsgesetz vom 26. Januar 1910 erhielt der Art. 4 folgende Fassung:
"Art. 4. Stimmberechtigt und wählbar sind die Arbeitgeber, Arbeiter und Angestellten ohne Unterschied des Geschlechts, die schweizer Nationalität sind, zwanzig Jahre alt sind und im Kanton wohnhaft sind.
Les dispositions de la loi électorale sur la privation du droit de vote et sur l'éligibilité sont applicables aux Prud'hommes.
"

Durch Verfassungsgesetz vom 20. Juni 1914 erhielt der Art. 4 folgende Fassung:
"Art. 4.
Fassung unbekannt.

Durch Verfassungsgesetz vom 22. März 1930 erhielt der Art. 4 folgende Fassung:
"Art. 4. Stimmberechtigt und wählbar sind
1. die schweizerischen Arbeitgeber, Arbeiter und Angestellten, die im Kanton Genf im Besitze der bürgerlichen (oder verfassungsmässigen politischen) Hechte sind;
2. die Schweizerfrauen nach dem zurückgelegten 20. Altersjahr, die die Bedingungen der Ziff. l erfüllen und ein schriftliches Gesuch um Aufnahme in die Wahllisten einreichen.
Das Gesetz bestimmt die Eintragungsfrist und die Fülle, in denen die zuständige Behörde die Eintragung verweigern oder löschen kann."

Art. 5. Die Art der Wahl, die Zahl der Gruppen und die Organisation der gewerblichen Schiedsgerichte wird durch das Gesetz bestimmt.

Aufhebungsbestimmung. Es sind aufgehoben:
1) Das Gesetz vom 17. September 1879 betreffend die Abänderung von Artikel 10 des Gesetzes vom 21. Oktober 1874 über die Friedensrichterämter.
2) Die Artikel 10 und 11 des erwähnten Gesetzes vorn 21. Oktober 1874.

Übergangsbestimmung. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Organisation der gewerblichen Schiedsgerichte bleibt das Schiedsgericht (tribunal arbitral) in Thätigkeit.

    Gegeben in Genf, den 4. Oktober 1882, unter dem Siegel der Republik und mit den Unterschriften des Präsidenten und des Sekretärs des Großen Raths.

Der Präsident des Großen Raths:
Ch. Boissonnas

Der Sekretär des Großen Raths:
Dr. Vincent

 


Quellen: Bundeskanzlei, Bundesverfassung und Staatsverfassungen der Kantone, Bern 1891, 1910, 1937, 1948
Schweizerisches Bundesblatt

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